In Schortens erklingen wieder alle drei Glocken

von Henning Karasch
Kirche Drei Tage lang wurde im Turm der St. Stephanus-Kirche gearbeitet


Flechsen und Hämmern statt Glockenklang war aus dem Turm der altehrwürdigen St. Stephanus-Kirche zu hören. Mit weitem Ausblick, allerdings bei eisigem Wind arbeiteten dort Jan Ohle und Pascal Behla, Servicetechniker für Glocken- und Uhrentechnik der Otto Buer GmbH & Co KG, früher im Kreis Melle, heute in Neustadt in Holstein beheimatet. Sie erneuerten innerhalb von drei Tagen die Lager der Süd- und Nordglocke sowie das Seilrad der Nordglocke denkmalgerecht.

Die Lager der Glocken verschleißen einseitig, sagte Jan Ohle, durch die Kraft der
Pendelbewegung der jeweils rund 1,5 Tonnen schweren Glocken. Die Lager bestehen aus gehärtetem Stahl mit einem Gusseisengehäuse. Sie hatten bei der Südglocke aus Eisehartguss immerhin seit 1949, bei der bronzenen Nordglocke seit 1959 gehalten. Dem Material setzen salzhaltige Luft und seitlicher Regenschlag zu, so der Fachmann. Die Lager werden alle halbe Jahr gut geschmiert. Das Seilrad der Nordglocke war noch original. Die Seilräder der
Südglocke und der über 200-jährigen Westglocke sollen neuer sein. Die jetzige Reparatur kostete rund 6800 Euro. Die Westglocke sei mit 700 Kilogramm eher ein Leichtgewicht, zeige daher weniger Verschleiß. Ein häufiger Schaden, so der Fachmann, sei das Zerschlagen der Glocke durch den beim Läuten verdichteten Klöppel, wobei Stahl auf Bronze oder Bronzeballen auf Eisenhartguss träfen.

Vor zwei Jahren war Johannes Peters, Nachbar aus der Dorfschmiede und regelmäßig zum Beiern im Turm, aufgefallen, dass die Südglocke beim Auspendeln bis auf fünf Millimeter ans Mauerwerk kam. Vor einem Jahr waren es noch drei Millimeter, sagte der Maschinenbau- und Schweißingenieur, dessen Vater, Schmied Benno Peters, die Glocke mit Hein Memmen und anderen Männern aufgehängt hatte. Nun hatte die Südglocke „ihr Ziel erreicht“ und schwieg seit Weihnachten.

Einige Aufträge, so Jan Ohle, seien durch die Corona-Pandemie verschoben worden, da sich Gemeindekirchenräte, die über Auftragsvergaben entscheiden, nicht trafen. Nicht so in Schortens. Bauausschussvorsitzende Annemarie Zeuske hatte den Handwerkern sogar Kuchen mitgebracht. Nach über 15 Jahren in ihrem Amt läutet sie zum 9. Juli ihren Abschied ein. Sie freut sich, einen Nachfolger zu haben.

Alter Brauch litt unter neuen Auflagen

Tradition Im Glockenturm der St.Stephanus-Kirche Schortens wurde gebeiert

Schortens- Der alten Tradition folgend, wurde im Glockenturm der St.-Stephanus-Kirche in Schortens auch diesmal zu Silvester gebeiert. Bürgermeisterin Anne Bödecker sowie die Nachbarn Ingrid und Rolf Rocker überbrachten der Gruppe der Beierer um Johannes Peters „Klockenschmeer“ in hochprozentiger Form. Denn in alter Zeit zogen junge Schortenser, die
beierten, von Haus zu Haus, um sich mit Getränken versorgen zu lassen. Pastor Jan-Christian Buchwitz gab dem heidnischen Brauch des Vertreibens böser Geister durch das rhythmische Anschlagen der Glocken mit den schweren Glockenklöppeln seinen Segen. Johannes Peters und sein Sohn Hilko übernahmen den 95 Kilogramm schweren Klöppel der 1949 gegossenen
Südglocke. Rolf Busker, Hermann Reck und Manfred Onken schlugen die zehn Jahre jüngere Nord- und Horst Janßen die Westglocke an, die wohl aus dem 19. Jahrhundert stammt. Im achtminütigen Wechsel mit dem Automatikgeläut wurde das Anschlagen wiederholt. Johannes Peters liegt als Nachbar der Kirche und Vorsitzendem des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V. die Brauchtumspflege besonders am Herzen. Hilko Peters beiert bereits in
sechster Generation. Die „Klockenschmeer“ wird normalerweise zu Jahresbeginn mit den Partnerinnen der Beierer genossen. Stattdessen könne man per Videokonferenz Glühwein trinken, scherzte Johannes Peters.

In der rund acht mal acht Meter großen Glockenstube wird es eng, wenn die Glocken automatisch schwingen und die Männer beiseitetreten müssen. Daher durften diesmal keine Gäste mit nach oben. Auch Heiligabend war ohne Gäste gebeiert worden. Dennoch fragten einige Passanten nach dem alten Brauch und blieben in gebührendem Abstand unterhalb der Kirche stehen. Anne Bödecker wies einmal mehr auf die frühe Gründung von Schortens hin, was sich an den kürzlich entdeckten Siedlungsspuren zeige.

Bild: Henning Karrasch

Jahreshauptversammlung des Heimatvereins

In seinem Jahresrückblick berichtete Johannes Peters, Vorsitzender des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V., auf der Jahreshauptversammlung von einem ereignisreichen Jahr. Er zeichnete Hans-Gerd Fritzsche für 25-jährige Zugehörigkeit aus. Bei den Wahlen wurden Johannes Peters, seine Stellvertreter Pascal Reents und Ronald Brandes, Kassenwart Rudi Rabe, Schriftführer Holger Krahe sowie der erweiterte Vorstand mit Helga Meyer, Ingrid Baron und Peter Homfeldt im Amt bestätigt. Neue Ehrenrätin wurde Annemarie Zeuske anstelle von Franz Cornelius. Derzeit hat der Verein 201 Mitglieder. Das Grünkohlkönigspaar 2019 hieß Elfride Böhm und Wolfgang Steinhaus. Die Führung durch die St. Floriankirche Sillenstede mit Doris Wolken und das Olympia-Museum mit Zeitzeige Helmut Hoffrogge wurden verfilmt. Bei Besuchen des Landschaftstags in Wildeshausen und der Tagung der Heimat- und Bürgervereine in Visbek staunte der Vorsitzende über die Möglichkeiten anderer Heimatvereine, wie er sagte. Bernd Grahlmann berichtete den Heimatvereinsmitgliedern vom angespannten Verhältnis seines Urgroßvaters zur Kirche. Den Pastor habe er zur Taufe seines Sohnes mit dem abgefegten Mistkarren holen lassen. Das Osterfeuer am Klein-Ostiemer-Weg und ein Ausflug ins frühere Eisenerzbergwerk Damme und zum Dümmer standen ebenso auf dem Programm wie ein Vortrag von Dr. Holger Freund über botanische Neubürger auf den ostfriesischen Inseln. Das Erdbeerfest und der Vortrag von Günter Schrader über seine Vertreibung aus Schlesien kamen ebenso gut an wie die Radtour durch den Forst Upjever mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub und Carsten-Friedrich Streufert, über den es nach Ansicht des Vorsitzenden ebenso einen Film geben sollte. Zum plattdeutschen Abend sang Helmut Hoffmann, Andreas Gerdes und Hans- Jörg Beyer erzählten. Ein Schreiben wegen des gewünschten neuen Heimathauses oder Stadthauses an den Rat und Bürgermeister Gerhard Böhling blieb leider unbeantwortet, sagte der Vorsitzende bedauernd. Er würde ein Gebäude nahe des Stadtmarketings begrüßen, das Exponate seit dem zweiten Weltkrieg und das Olympia-Museum aufnähme und an fünf Wochentagen offen sei. Reinhard Steinke und weitere Mitglieder des Heimatvereins stellten das Ortsfamilienbuch Schortens vor. Beim Klönabend am Mittwoch, 8.April, soll es erneut erläutert werden. Ein weiterer Film entstand über das Jubiläum der Glocken der St. Stephanuskirche Schortens zum Erntedank. Hans-Heinrich Schrievers vom dritten Oldenburgischen Deichband referierte im Bürgerhaus über die Deichsicherheit. Im Küsteum Sande trafen sich friesländische Heimatvereine. Das Güstkinnelbeer war stimmungsvoll, ebenso die Adventsfeier. Sie war zugleich ein Schultreffen nach 70 Jahren mit Professor Dr. Menno Aden, Pastorensohn aus Schortens. Auch dazu entstand ein Film. Gut war der Losverkauf bei „Wiehnachten bi de Kark“. An Silvester wurde im Schortenser Kirchturm gebeiert. Für 2020 sind eine Kirchenführung in Accum und ein Ausflug ins Ammerland, wo eine Baumschule und eine Großbäckerei besichtigt werden sollen, auf der Agenda. Im Rahmen einer Masterarbeit sollen Straßennamen erklärt werden. Aufgrund einer Anfrage der Grundschule Roffhausen zur Heimatkunde regte Johannes Peters einen heimatkundlichen Leitfaden an. Werner Stubenrauch informierte zum Sachstand Friesen-Hof.