Anekdoten über ehrwürdiges Gemäuer

Text: Henning Karasch, Bilder: Henning Karasch, Jürgen Niemann

Geschichte Heimatverein Schortens von 1929 e.V. besuchte Reepsholt am 15.03.2023

Reepsholt– /Klaus Dörries war 35 Jahre lang Pastor an der St.Mauritius-Kirche Reepsholt. Mitgliedern des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V. stellte er „seine“ Kirche vor, in der er seine volle Amtszeit tätig war. „Erst wollte ich nicht hierher. Bei meinem ersten Besuch hatte ich einen Achsbruch, doch niemand verstand mich“, erinnerte sich der Theologe.

450 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers am 31.Oktober 1517, also 1967, sei er hier geweiht worden. „Die Menschen merkten, dass ich ernstnahm, was sie bedrückte. Kam ich zum Trauerbesuch, aber die Kuh kalbte, kam erst das Kalb auf die Welt.

So standen mir die Türen offen“, fuhr Klaus Dörries (Bildmitte) fort. Er habe es geschafft, innerhalb eines Jahres in jedes Haus zu kommen. Bei Streit in einer der flächengrößten Kirchgemeinden Ostfrieslands sei er oft vor der Polizei gerufen worden.

Klaus Dörries wurde das Indigenat als Ostfriese verliehen, unter anderem wegen seiner Verdienste um die 1000-Jahrfeier Reepsholts, und zu seinem Abschied war das Dorf geflaggt. Anfangs wohnte die Familie in Wiesede. Die Tochter des Pastors begleitete Gottesdienste an der Orgel.

Die Orgel stehe auf der Nordseite, der Seite des Teufels. Ein Problem waren die ausblühenden Wände, weil nur stoßweise geheizt wurde. Vier- bis fünfmal im Jahr fuhr Klaus Dörries nach Hannover zum Kulturministerium und anderen Behörden. Am Ende war eine Million Deutsche Mark zur Renovierung beisammen. „Das Landeskirchenamt teilte wie auswendig gelernt mit, kein Geld zu haben. Mit dem Kirchenvorstand haben wir mit Spitzhacken selbst die Wände freigehauen“, erinnerte sich der Seelsorger. „Bei der Restaurierung wurden außen alle Quader gelöst. Es waren schlimme drei Jahre, mit Trauungen in der Friedhofskapelle“, so Klaus Dörries.

Er kam auch auf die Stiftskirche, die einmal im Ort stand, zu sprechen. Sein Wohnhaus stehe auf dem Klosterbrunnen, der von der Ostfriesischen Landschaft untersucht wurde. „Der Sand, um die Fundstelle zu schließen, kostete mich 12 000 D-Mark“, fuhr Klaus Dörries fort. Eine weitere Anekdote war, dass einmal kein Taufwasser bereitstand und der Küster Wasser in einer grünen Kanne vom Friedhof holen musste.

Als 1642 die Mansfelder Reiter vertrieben wurden, war die Kirche beschädigt. Der Drost von Friedeburg stiftete den Altar. Der Fußboden des Altarbilds setzt sich in echten Platten vor dem Altar fort. Das Altarbild zeigt die Kirche und das alte Pfarrhaus mit Treppenturm. Eine Holzbalkendecke ersetzte das Gewölbe. Die Barockkanzel soll sich in einem New Yorker Museum befinden. Die Nachfolgerin wurde von einer alten Dame gestiftet. Nach ihrem Tod soll der Küster ihren Geist stets in der Bank sitzen und auf die Stelle deuten sehen haben, wo die neue Kanzel stehen sollte. Sie sei gebaut worden, weil der Küster den Anblick beim Anschreiben der Kirchenlieder nicht ertrug.

Klaus Dörries wies auf die Holzskulptur des heiligen Mauritius hin, die älter als die um 1200 errichtete Kirche sei, auf die Kronleuchter und das Sängerpult. Sogar ein Mord geschah in St. Mauritius. Am 2. Januar 1914, „abends 9 Uhr“, starb Pastor Christian Wilhelm Loets „hier in der Kirche durch Mörderhand“, wie eine Gedenktafel wissen lässt.

Der Pastor, so Klaus Dörries, habe wohl einen Landstreicher erwischt, wie der den Opferstock stehlen wollte. Dieser habe auf den Pastor geschossen und diesen verletzt. Bei der Flucht muss der Täter befürchtet haben, dass sein Opfer ihn wiedererkennen würde, und kehrte zurück, ihn zu töten. Das Grab von Pastor Loets, seiner Frau und Tochter befindet sich unweit des Eingangs.

Weitere Bilder der Kirchenführung von Henning Karasch und Jürgen Niemann:

Flurnamen können Spannendes erzählen

Geschichte Der Heimatverein Schortens von 1929 e.V. hat historische Flurkarten im Angebot

Schortens- /Georg Schwitters, Ehrenvorsitzender des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V., hat zu Hause einen Schatz, den er veräußern möchte. Es handelt sich um Flurkarten der damaligen Gemeinden Schortens und Sillenstede im Maßstab 1:10.000. Sie wurden von den Kartografen des Großherzogtums Oldenburg 1836 aufgenommen. Gedruckt wurden sie 1841, 1847 erschien dazu ein Register.

Zur Sammlung der alten Flurnamen rief 1928 der Oldenburger Landesverein für Heimatkunde und Heimatschutz auf. Georg Janßen, Heimatforscher in Sillenstede, und Hauptlehrer Johann Eden aus Schortens zählten zu den Freunden des Altertums der Gemeinde Schortens, die 1929 den Heimatverein gründeten und sich gegenseitig ihre Forschungen präsentierten.

Georg Janßen veröffentlichte 1925 sein Buch „Was uns Orts- und Flurnamen erzählen“. „Sein Buch könnte den Anstoß zur landesweiten Flurnamenforschung gewesen sein“, mutmaßt Georg Schwitters. Johann Eden hatte seine Flurnamensammlung 1930 vollständig. „Die Flurkarten und die Flurnamensammlung Johann Edens wurden 1992 in Jever reproduziert, das Buch von Georg Janßen 1997 neu aufgelegt“, erklärt Georg Schwitters, Heimatvereinsvorsitzender von 1987 bis 2004. Das Buch ist mittlerweile vergriffen. Doch von den Flurkarten, deren Originale in Archiven in Oldenburg und Jever verwahrt werden, sind noch Exemplare zu haben. Georg Schwitters, der ein großer Buchliebhaber ist, wird nach dem Bau weiterer Bücherborte keinen Platz mehr für die Flurkarten haben. Er möchte sie daher gerne heimatkundlich Interessierten zukommen lassen. Über den Heimatverein Schortens von 1929 e.V. kann der Preis erfragt werden.

Georg Schwitters freut sich, wenn die Stadt Schortens Straßennamen mit Bezug zu Flurnamen vergibt. „Der Feldhuuser Karkpadd wurde sogar bei der Planung des Straßennetzes auf den alten Kirchweg von Feldhausen zur St. Stephanus-Kirche, dem Bezugspunkt in Schortens, gelegt“, freut sich der pensionierte Lehrer. Besonders im Ammerland mit großen Kirchspielen sei das Kirchwegenetz ausgeprägt. Vom Heimatverein stammen auch Texte auf
Zusatzschildern, die Straßennamen erklären, wie zum Beispiel Brumidik. „Der Name bezieht sich wahrscheinlich auf Bram, den Ginster auf Plattdeutsch, der auf dem Heideland dort wuchs“, erläutert Georg Schwitters, der gerade zu den über 65 Kattrepel, die es in Deutschland gibt, forscht.

Bild: Henning Karasch

Besuch ließ Erinnerungen wach werden


Senioren Gruppe vom Pflege Butler Schortens besuchte das Heimathaus Schortens
Heidmühle- /Erstmals war jetzt eine Gruppe vom Pflege Butler in Schortens zu Gast im Heimathaus des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V. Die Idee dazu hatte Betreuungskraft Daniela Schölzel, seit Mitte Dezember 2021 in dem Seniorenheim tätig. „Aus Versicherungsgründen darf ich leider den Bulli des Seniorenheims nicht fahren“, sagte sie. So gab es einen Sonntagsspaziergang und erklärende Worte des Vorsitzenden des Heimatvereins, Johannes Peters. Die Gäste erkannten einige Exponate der „Bauernstube“, so etwa die
Schnippelbohnenmaschine. Sie fanden sich auf Fotos im Kalender des Heimatvereins mit historischen Aufnahmen, von dem der Vorsitzende den Gästen ein Exemplar überreichte.

Die Gäste erzählten aus ihren Erinnerungen, angeregt durch die Exponate der Ostdeutschen Kultur- und Heimatstiftung im Heimathaus. Eine 89-jährige Besucherin war nach Beschlagnahme des Familienbesitzes aus dem Eulen-gebirge nach Schortens vertrieben worden, mit Mutter, Großeltern mütterlich-erseits und der kleinen Schwester, einem „Andenken“ des letzten Fronturlaubs des gefallenen Vaters. Eine andere Teilnehmerin erinnerte sich an die Schöfel, die ein sowjetischer Kriegsgefangener ihr in Sande herstellte. Als ihr Vater später in Sibirien in Gefangenschaft kam, sei dieser ehemalige Kriegsgefangene
dort Aufseher gewesen. Ihre Platznachbarin berichtete vom Kriegsgefangenen-lager Sande und den Kartoffeln aus dem Offiziersheim, die den Gefangenen gebracht wurden, obwohl bei Wiederholung mit Erschießen gedroht wurde. Einige der Gäste erinnerten sich an Sirenen, Nächte, in denen sie angekleidet ins Bett und später in den Bunker gingen, Brandbomben und das Aufräumen nach dem Angriff. „Wir haben in Sande einiges abgekriegt, was wohl für
Wilhelmshaven bestimmt war, sagte eine Seniorin. Einige Gäste äußerten Furcht vor einem dritten Weltkrieg. Aber auch schöne Erinnerungen gab es, etwa an Gastwirtschaften und Geschäfte.

Johannes Peters, selbst Autor im Historien-Kalender, sprach über sein Vorhaben, diesen in Regie des Heimatvereins fortzuführen.