Der ADFC und der Heimatverein Schortens haben wieder die jährliche gemeinsame Fahrradtour zu historischen Plätzen der Stadt Schortens durchgeführt. Vom Bürgerhaus ging es zuerst zum jüdischen Friedhof an der Menkestraße. Nachdem alle Männer eine Kopfbedeckung hatten, erläuterte Ari Eisel die Besonderheiten dieses Friedhofs, dessen Grundstück 1905 von einem Banter Kaufmann für die Beisetzung der Wilhelmshavener Juden gekauft wurde. Weiter ging es mit einem kurzen Blick auf den Wolfsgalgen zum Naturdenkmal „Heiligtum“ beim Klosterpark. Nächster Halt war der unter Denkmalschutz im Wildkamp stehende 3m hohe Eichengrenzpfahl mit seinen Symbolen HO für Herzogtum Oldenburg und KP für Königreich Preußen, der an die früheren Grenzen erinnerte. Mit einer Einkehr bei Kaffee, Tee und Kuchen wurde die Fahrt mit vielen neuen Eindrücken beendet.
Hintergrund zum jüdische Friedhof Schortens Menkestraße: Männern ist das Betreten nur mit einer Kopfbedeckung erlaubt. 1905 kaufte ein Banter Kaufmann das Grundstück , um für Wilhelmshavener Juden einen Friedhof zu schaffen. Die Gemeindeverwaltung lehnte dieses Vorhaben zuerst ab, aber am 12. April 1905 gab es dann mit Zustimmung des Staatsministeriums die Genehmigung. 1910 war die erste Bestattung , wie alle ohne Kränze und Blumen. Ein Grab bleibt ewig, eine Wiederbelegung ist nicht vorgesehen. Für Besucher eines Grabes ist das Ablegen von Steinchen auf dem Grab erlaubt. Oben auf dem Grabstein sind zwei hebräische Buchstaben zu sehen, die bedeuten: hier ruht. Die Gemeinschaft der Juden kümmert sich um die Toten, wäscht sie, kleidet sie an und legt sie in einen Sarg aus unbehandeltem Kiefernholz, der mit Holzdübeln zusammengehalten wird. Es gibt keine Griffe, der Transport erfolgt mittels Seile. Die Durchführung der Beerdigung ist nicht an ein Amt gebunden, es muss kein Rabbiner, es könnte auch ein Vorbeter oder ein anderes Gemeindemitglied sein. An Sabath und an jüdischen Feiertagen ist der Friedhof geschlossen. 200 niedersächsische Friedhöfe werden vom Landesverband der jüdischen Gemeinden betreut.
Geschichte Der Vorstand des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V. sorgt sich um das Heiligtum
Oestringfelde– /“Nördlich des tiefen, ringförmigen Grabens, der die alte Klosterstätte umschließt, befindet sich ein Flurstück, das den Namen Nonnenfriedhof trägt, daran anschließend ein Flurstück, dessen alter Flurnamen Heiligtum lautet. Auf dem Heiligtum stand bis vor 25 Jahren eine uralte Eiche, im Umkreis darum waren zwölf alte Linden gepflanzt“, schrieb Dr. König, praktischer Arzt aus Heidmühle, am 15. November 1934 im Jeverschen Wochenblatt. „Leider ist dieses schöne Naturdenkmal vor 25 Jahren der Axt zum Opfer gefallen. Die Bäume wurden abgeschlagen, und die Stämme versteigert, wobei die alte Eiche für neun Reichsmark verkauft wurde. Das Holz war aber für Tischlerzwecke wertlos, weil die Eiche sich im Laufe ihres Wachstums mehrere Male um ihre Achse gedreht hat“, fuhr er fort. Das Alter der Eiche wurde auf 500 bis 600 Jahre geschätzt. Veränderte Eigentumsverhältnisse im Gut Kloster sollen zur Rodung geführt haben. Nachweise, das Heiligtum sei altheidnische Thingstätte des Gaues Asterga oder mittelalterlicher Versammlungsort gewesen, fehlten laut Dr. König. „Angeregt durch ihre Vorsitzenden, Herrn Bock, haben die Freunde des Altertums der Gemeinde Schortens beschlossen, das Heiligtum wieder an der selben Stelle wie früher zu bepflanzen (…) Gleichzeitig soll es eine für die neue Gemeinde Oestringen charakteristische Stätte sein, ein Mittelpunkt für die Volksgemeinschaft der Oestringer Gemeindebürger“.
Über die „Feierliche Neueinweihung eines alten germanischen Heiligtums“ schrieb der „Wilhelmshavener Kurier“ am 19. November 1934: „Der Liberalismus mit seiner Profitgier war über sie gekommen, ihr fiel die heilige Stätte zum Opfer“. Jedoch hätten sich „die Freunde des Altertumsder Gemeinde Schortens der großen Aufgabe gewidmet, die alten historischen Stätten wieder zu Ehren zu bringen und die Erinnerung an die Vergangenheit wachzuhalten“. Der Vorsitzende, Eisenbahninspektor a.D. Karl Bock, habe im Gemeindevorsteher von Oestringen, Ortsgruppenleiter Parteigenosse Koch, einen Förderer für die Wiederherstellung des Heiligtums gefunden. „Zum neuerstandenen Heiligtum marschierten die Verbände mit klingendem Spiel und frohen Marschliedern“ und „unter großer Beteiligung aus dem ganzen Jeverland“. Im Zeitungsartikel, im markigen Tonfall der Zeit, wurde auf die Bedeutung dieses Platzes hingewiesen: „Hier an dieser Stelle wurden noch, wie uns die Alten berichten, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts Lehrlinge, Meister und Gesellen in feierlicher Handlung zünftig gesprochen. Bis hierher wurde den auswandernden Gesellen, die auf die Walze gingen, von Jever aus das Geleit gegeben“. Mit drei Schaufeln Erde und Weihesprüchen durch den Vertreter des Amtes Friesland Regierungsassessor Dr. Böckmann, den Kreisleiter des Kreises Friesland der NSDAP, Parteigenosse Hans Flügel, der auch eine Rede hielt, den Leiter des Rüstringer Heimatbundes, Zeichenlehrer Baumann, und Karl Bock „wurde das Heiligtum in die Obhut der Gemeinde Oestringen“ gegeben. Mit kurzen, treffenden Worten bat Karl Bock darum, „dieser Stätte den Denkmalschutz angedeihen zu lassen“. Propagandistisch genutzt, marschierten auf: die von Sturmbannführer Onnen geführten Stürme des SA-Sturmbanns I/33, der NSDFB (Stahlhelm) unter der Führung des Kameraden Martsfeld-Addernhausen sowie die Kriegervereine, die Hitlerjugend, BDM und die Mädeltruppe von Schortens. Im Halbkreis um die Eiche nahmen sie Aufstellung. Unter Leitung von Hauptlehrer Schulz-Oestringfelde sangen Schulkinder aus Jungfernbusch, Oestringfelde und Roffhausen. Im Dezember 1934 feierte die Hitlerjugend aus Oestringfelde, Schortens und Jever am Heiligtum Sonnenwende.
Bereits 1934 hieß es: „Der Sportplatz schließt sich unmittelbar an diese Stätte an, so dass ein ausreichender Platz für große Aufmärsche vorhanden ist“. Diese Nähe zum heutigen Stadion am Klosterpark des Heidmühler Fußball Clubs (HFC) sieht der Vorsitzende des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V., Johannes Peters, als Gefahr für das Heiligtum, das bis 1909 östlich des Klosterwegs lag, wie eine Karte im Heimathaus belegt. „Wenn der HFC sein Sanitärgebäude, wie berichtet, erweitert, gibt es gewaltige Begehrlichkeiten, alles abzuholzen“, fürchtet Johannes Peters. Der Eingang zum Heiligtum liegt eher versteckt am Parkplatz. Nach Baumpflegemaßnahmen im Frühjahr wirkt die Anlage gepflegt. Allerdings setzen BMX-Sportler dem umlaufenden Wall zu. An den Eingang hätte Johannes Peters gern wieder eine Hinweistafel auf das 1984 ausgewiesene Naturdenkmal, wie es sie vor Jahren gab. Er ist in Kontakt mit der Stadt und verweist auf das Gutachten zur Ausarbeitung eines Lösungsvorschlages zur Wiederherstellung und Erhaltung des Naturdenkmals Heiligtum im Klosterpark von 2011. Schon damals fehlte eine Linde, ein „akuter Pflegerückstand“ wurde festgestellt.
Unter der fachkundigen Führung von Hans-Heinrich Schrievers vom III. Oldenburgischen Deichband ging es vom Bahnhof Heidmühle aus nach Ellenserdamm zum höchsten Deich Frieslands. Schon bei der Vorbeifahrt an der Schortenser St.-Stephanus-Kirche waren wir mitten im Thema, denn diese Kirche wurde auf einer hohen Warft gebaut, weil die Bewohner sich und ihre für den Lebensunterhalt wichtigen Tiere wegen fehlender Deiche vor Sturmfluten in Sicherheit bringen mussten. Auf der Weiterfahrt zum mit 9,8m höchsten Deich Frieslands zwischen Cäciliengroden und Ellenserdammersiel fuhren wir auf der alten B69 auf dem ehemaligen Ellenserdamm, der nach dem Tode von Frl. Maria im Jahre 1575, als Jever an die Grafen von Oldenburg fiel, gebaut wurde. Wegen des tief ins Land hineinragenden Schwarzen Bracks musste der Graf über Ostriesland unter Zahlung von Wegezoll nach Jever, was ihm missfiel. Unter Graf Anton Günther wurde der Damm 1615 mit dem Deichbaumeister Albert Brahms fertiggestellt. Als Folge verlagert sich der Handelsverkehr von Neustadtgödens nach Ellenserdammersiel. Der Deich ist an dieser Stelle so hoch, weil sich herausgestellt hat, dass bei Sturmflut mehr Wasser in den Jadebusen gedrückt wird und nicht vollständig wieder abfließen kann und somit bei der nächsten Flut bis zu 2m noch höher aufläuft. Der Deichbau hat sich geändert, weil die steileren Deiche mit Schrägen vom 1 zu 2,5 bei Überspülungen von innen her brachen. Heute haben wir überströmbare Deiche mit einem Deichfuß von 100m und Schrägen von 1 zu 4. Dangast hat keinen Deich, weitere Schutzmaßnahmen werden dort überlegt. Das Schöpfwerk Petershörn entwässert auch Schortens, Speicherpolder dienen zur Zwischenspeicherung, wenn nicht entwässert werden kann. Wir fahren an Cäciliengroden vorbei, die Häuser wurden für die Werftarbeiter gebaut und zwischen 1938 und 1940 bezogen. Der dann sichtbare Flugplatz Mariensiel liegt höher, weil Sand vom U-Boot-Hafen hier aufgefahren wurde. Wieder muss eine Schranke aufgeschlossen werden. Für die über 200 Tore entlang der Deichlinie gibt es ein einheitliches Schließsystem. Wir erreichen das Fischerdorf beim Banter See. Früher wohnten hier Berufsfischer , heute gibt es keinen berufsmäßigen Fischfang mehr und nach Erhöhung des Deiches 1972 gab es eine Vereinbarung, dass 28 Hütten in der Zeit vom 15. April bis 15. September dort stehen dürfen solange die Besitzer leben, aber die Zahl wird nicht geringer, weil der Platz vererbt wird. Es ist einer der teuersten Campingplätze an der Nordsee. Wir erreichen den Südstrand und hören vom Reiseführer, dass die Hotels dort dem Deichband gehören und die Stadt Wilhelmshaven diese nach dem Erbbaurecht bewirtschaftet. Immer wieder fahren wir, wie auf der Neuengrodener Straße auf alten Deichen, denn Straßen wurden wegen deren Höhe gerne dort gebaut. Beim Ölhafen besichtigten wir eine aktuelle Deichbaustelle und die dortige Erinnerungssstätte Seefrieden. An diesen Deichstellen ohne Deichvorland muss der Deichfuß mit besonders schweren Steinen aus Norwegen gesichert werden und solche Maßnahme kostet dem Deichband für 400 Meter ca. 4 Millionen Euro. Die Deichbaukosten werden zu 70% vom Bund und zu 30% vom Land bezahlt, Deichbaumaßnahmen dürfen nur in der Zeit vom 15. April bis 15. September durchgeführt werden. Für die Deichsicherung im anschließenden Marinestützpunkt ist der Bund zuständig, dort besteht noch Handlungsbedarf. Auf der Weiterfahrt durch den Jade-Weser-Port sehen wir ein riesiges Steinlager des Deichbandes mit Deckwerkssteinen eines bestimmten spezifischen Gewichtes aus Norwegen. In Höhe der Eisenbahnlinie des Jade-Weser-Ports ist ein 500ha großes Gelände, das man hat verbuschen lassen und das nun nur zur dringenden Industrieansiedlung abgeholzt werden darf, wenn eine 7fache Ausgleichsfläche, also 3500ha, gefunden wird. Für die Löschbrücken mussten zur Durchleitung der Rohrleitungen durch den Deich Ausnahmegenehmigungen erteilt werden und weil Leitungen für Öl und Chemikalien nicht dicht zusammenliegen dürfen, mussten für die damalige Raffinerie und für ICI zwei getrennte Löschbrücken gebaut werden. Die Ansiedlungsfläche für die Flüssiggasanlieferung vor Hooksiel ist glücklicherweise nicht verbuscht und kann genutzt werden. Der Hafen von Hooksiel verschlickt und muss für die künftige Nutzung als Standort der Schlepper für die Flüssiggastanker ausgebaggert werden. 1km des Deiches vor dem Badestrand wird nächstes Jahr um 1m erhöht. Der dafür notwendige Klei ist schon aus Baugebieten vor Hooksiel und Jever gesammelt worden. Nach einer Stärkung beim Mittagessen in Hooksiel geht es weiter Richtung Küstenschutz-Camp Elisabethgrodendeich. Auf den Deichen viele Schafe zur Deichpflege, aber auch einmal Kühe, denn aufgrund alter Verträge ist dies noch erlaubt wie auch das Mähen im Deichvorland. Das als Deichvorland bezeichnete Gebiet zwischen Deich und Wattenmeer mindert bei Sturmflut die auflaufende Wellenkraft und sollte mindestens 200 bis 400m breit sein. Lahnungen, zwei mit Buschwerk und Schüttsteinen verfüllte Pfahlreihen, schützen das Vorland und Ablagerungen von Schwebstoffen fördern seine Neubildung. Eine zweite Deichlinie zwischen Hooksiel und Horumersiel hat das Ziel, zwischen beiden Deichlinien einen Speicherpolder zu haben. Das Schöpfwerk Wangerland ist für die Entwässerung dieser Gegend zuständig. Auf unserer Fahrt haben wir auch noch dritte und ältere Deichlinien gesehen, die früher abgetragen wurden, aber heute als Bodendenkmäler bleiben müssen. Eine sehr wichtige Aufgabe des Deichbandes ist die Sauberhaltung des Deiches, damit die Grasnarbe nicht beschädigt wird. Besonders nach Sturmfluten gibt es große Mengen an Teek (abgestorbene Pflanzenreste aus dem Deichvorland) und anderem Treibgut, leider auch viele Kunststoffabfälle. All dies wird auf einem Platz zusammengefahren und dann von Hand durchsortiert. Die reinen Pflanzenreste werden gehächselt und dann ins Vorland zurückgeblasen. Das Küstenschutz-Camp Elisabethgrodendeich ist eine Informationseinrichtung zum Küstenschutz mit einem 10m hohen Aussichtshügel, der höchste Erhebung des Wangerlandes und der einen weiten Blick über den Elisabethgroden und das Wattenmeer bis hin zur Insel Wangerooge ermöglicht. Auf dem Hügel steht die Betonskulptur „Woge retour“ der Künstlerin Uta Grams aus Bassens, die den Sinn des Küstenschützes symbolisiert: Die Deiche an der Küste sollen die Wellen der Nordsee zurückwerfen. Nach einer Pause bei Kaffee, Tee und Torte wurde noch das Wangermeer angefahren, aus dem 1 Million Kubikmeter Klei für den Elisabethgrodendeich gewonnen wurden. Klei als mindestens 1,5m dicke Deckschicht über dem Sandkern des Deiches ist unentbehrlich. Untersuchungen haben ergeben, dass der größte Deichschädling, der Maulwurf, maximal sich 1,05m tief eingräbt und dann bei dieser Kleidicke den Sandkern nicht erreicht. Mit sehr vielen Eindrücken kehrten wir pünktlich von einer sehr schönen und dank Herrn Schrievers sehr informativen Fahrt zurück.
In der Galerie befinden sich einige Impressionen, die uns Jürgen Niemann zur Verfügung gestellt hat.