Bernd Grahlmann beim Klönabend des Heimatvereins

Bernd Grahlmann berichtete über die Besonderheiten des Jeverlandes und über seinen Urgroßvater Jacob Grahlmann (1820-1886).
Das Jeverland hat eine andere Entwicklung als das übrige Deutschland erlebt, denn es gab keine Adelsherrschaft, keinen Großgrundbesitz, keine Leibeigenschaft und keine Realteilung der Höfe durch das gültige Erbrecht. Es gab nie einen Herrscher „von Gottes Gnaden“, denn der Großherzog von Oldenburg war aufgrund von Verträgen aus der Zeit von Fräulein Maria , wo die Selbstverwaltungsrechte der Jeverländer festgeschrieben waren, nur „Herr von Jever und Kniphausen“. Der Einfluss der Bauern war groß, denn sie haben den Bau und die Unterhaltung der Kirchen bezahlt . Nach der Reformation gehörten Kirchenbänke und Grabstellen, die um 1970 enteignet wurden, zum Eigentum des Hofes. Die Ausstattung der Kirchen wurde über Spenden finanziert, die Spendernamen wurden sichtbar angebracht, um so die Bedeutung im Kirchspiel hervorzuheben. Die großen Messingkronleuchter der St.-Stephanus-Kirche hat die Großmutter von Jacob Grahlmann 1794 gespendet und den Spendenzweck eingravieren lassen: „Gott zu Ehren, der Kirche zum Zierath hat die Witwe Maria Elisabeth Grahlmann diese Krone zu ihrem Gedächtnis der Schortenser Kirche gegeben. November 1794“. Die Kirchenverwaltung lag in den Händen der Bauern, denn sie finanzierten die Kirche und stellten auch den „Kirchenjuraten“, den „Finanzminister“ des Kirchspiels. Der Pastor war nach Ansicht der Bauern nicht nur „Gottes Diener“ sondern auch ihr Diener, er hatte sonntags ordentlich zu predigen, angemessene Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen durchzuführen und die Bauernkinder nebenher zu unterrichten, um sie für den Besuch des Gymnasiums vorzubereiten. Wirtschaftlich begann für das Jeverland nach Fertigstellung des ersten befestigten Straße, deren Abschnitt zwischen Jever und Sande 1845 in Betrieb genommen wurde und direkt vor dem Grahlmannschen Hof vorbeiführte, eine neue Epoche. Diese Straße war bis 1900 wegezollpflichtig. Für die Strecke Sande-Ostiem war zuerst eine Wegezollstation in Weißenfloh (heute Neu Abbikenhausen) und zum Schluss in der Gaststätte „Ostiemer Hof“. Diese Straße hat die Handelswege verändert und nach dem Bau der Eisenbahn 1870 waren die Küstenhäfen in ihrer Bedeutung auf die Fischerei reduziert. Vor dem Straßenbau war eine Fahrt ins Jeverland schwierig. So musste z. B. 1830 der neue Kirchspielvogt für Tettens aus Delmenhorst mit der Postkutsche anreisend vor Jever wegen schlechter Wege aussteigen, zu Fuß weiter bis zur Schlachte und dann mit dem Boot weiter über das Hookstief und das Tettenser Tief nach Tettens. Der Müller von St. Joost musste das Getreide für den Schiffstransport ab Hooksiel oft wegen Unpassierbarkeit des Hauptweges auf dem alten Deich in Säcken auf dem Rücken dorthin bringen lassen. Die auswärtigen Schüler des Mariengymnasiums wohnten in Jever zur Miete und kamen nur am Wochenende zu Fuß nach Hause. In dieser Zeit wurde 1820 Jacob Grahlmann als erstes und einziges Kind seiner bereits 45 Jahre alten Mutter geboren und richtig verwöhnt. Mit 20 Jahren übernahm er den Hof in Ostiem. Da er in seiner Jugendzeit in Papentun am Upjeverschen Forst Bäume lieben gelernt hatte, pflanzte er in Ostiem viele Bäume, von denen einige Eichen noch heute stehen. Auch auf dem Grab seines Vaters pflanzte er einen Baum, den der Pastor aber wegen Verstoßes gegen die Friedhofssatzung wieder entfernte. Da sich dies wiederholte, wurde die Stimmung untereinander schlechter. Die Bauern trugen zu dieser Zeit immer Mützen, die aber bei Sitzungen, wenn der Pastor den Raum betrat, als Zeichen der Ehrerbietung abgenommen wurden. Jacob hat seine Mütze immer aufbehalten. 1852 starb seine Mutter. Bei Beerdigungen war es üblich, den Sarg mit einem schwarzen Vliestuch zu bedecken. Der Pastor empfing den Leichenzug an der Kirchdorfgrenze und musste diesen mit lautem Gesang christlicher Lieder bis zum Kirchhof anführen . An der Grabstelle wurde das Sargtuch abgenommen und ins Armenhaus zum Nähen von Kleidungsstücken gegeben. Doch dieses Sarglaken war reich bestickt und Jacob Grahlmann wollte es zurückhaben. Weil die Friedhofssatzung vorsah, dass alle mitgebrachten Bestattungsgegenstände in den Besitz der Kirche übergingen, konnte erst ein Gericht die Rückgabe erwirken. Dieses Laken wurde noch bei den Beerdigungen von Hans Wilhelm Grahlmann und seiner Schwester Elsa Nowak benutzt. 1853 hat Jacob die 14 Jahre jüngere Trientje Post aus Brockzetel geheiratet und beide bekamen 8 Kinder. Die Bauern ließen ihre Kinder zu Hause taufen und holten den Pastor üblicherweise mit einer Kutsche ab. Die Taufe von Hans Wilhelm Grahlmanns Vater war gerade in der Zeit des Mistfahrens auf dem Hof und so wurde der Knecht beauftragt, den Mistwagen abzufegen und den Pastor abzuholen. Der Pastor wurde vom Hausherrn nicht begrüßt und der Name des Täuflings von ihm mit dem Rücken zum Raum stehend auf einem Zettel überreicht. Der Pastor konnte dann beim Erntedankgottesdienst zurückschlagen, weil nur da die zum Hof gehörende Kirchenbank besetzt war und der Pastor mit Blick auf diese Bank gegen die nur einmal im Jahr erscheinenden Christen wetterte. Jacob ist während der Predigt aufgestanden und hat die Kirche mit einem Zuknallen der Tür verlassen. Er hat dann im Jeverschen Wochenblatt veröffentlicht, seine Kirchenbänke so lange zu vermieten wie der Jetzige Pastor in Schortens sei. 1885 hat er eine Niederlage hinnehmen müssen, denn er wollte die Hochzeit seiner nicht volljährigen Tochter Anna mit dem Heidmühler Müller Janssen verhindern. Sie floh mit ihrem Liebsten nach London, wo gesetzliche Trauungen in ihrem Alter zulässig waren. Das Paar hat mit Briefkarten von London aus die Vermählung in der Heimat bekannt gemacht. Die kirchliche Trauung hat der reformierte Pastor in Accum nachgeholt, der lutherische Pastor in Schortens wollte dieser Ehe nicht „Gottes Segen“ erteilen. Wirtschaftlich war Jacob sehr erfolgreich. Er erkannte die große Chance, die ab 1860 bis zu 8000 Arbeiter beim Bau des Preußischen Kriegshafens mit Lebensmitteln zu versorgen. Ein Backhaus, ein Schweinestall und ein Hühnerstall wurden gebaut, der Rinderstall erweitert, eine Räucher- und eine Käsekammer wurden in Betrieb genommen. Es gab eine Bienenhaltung und einen Obstgarten sowie Anbau von Kartoffeln, Kohl, Bohnen usw. Die starke Entwicklung der Butter- und Käseproduktion führte zur Gründung der Molkerei Grahlmann und Comp in der Wallstraße in Wilhelmshaven, die dann nach der Jahrhundertwende in die neu gegründete Molkereigenossenschaft aufgegangen ist. Jacob Grahlmann hat viel erreicht und aufgebaut, aber irgendetwas hat gefehlt. Im Juni 1886 war er plötzlich verschwunden. Drei Tage später fand man ihn. Er hatte sich erhängt.

Bild oben Mitte: Anzeige von Jacob Grahlmann im Jeverschen Wochenblatt wegen seiner Kirchensitze

Kirchenführung am 14. März

Der Heimatverein Schortens hatte Mitglieder und Gäste zu einer einstündigen Kirchenführung durch Doris Wolken in die beeindruckende St.-Florianskirche nach Sillenstede eingeladen. Nach langer Bauzeit wurde die 48 m lange und 13 m breite aus – von Gletschern der Eiszeit in unsere Gegend transportierten – Granitsteinen hergestellte Kirche im Jahre 1233 fertiggestellt. Eine ungeheure Leistung von den zu der Zeit dort lebenden wenigen Bewohnern. Nach Vorstellung des Bauwerkes wurde die reichhaltige Ausstattung wie Kanzel, Altar, Orgel, Heiligenfiguren, Bilder usw erklärt. Zwischendurch immer kleinere Döntjes aus dem Kirchenleben.

Bild: Johannes Peters

Das Bild zeigt Doris Wolken bei der Vorstellung des Taufsteines von 1250, ein Meisterwerk romanischer Steinmetzkunst. Links von ihr hält der Jürgen Eden die Ausführungen in Bild und Ton fest. Der Heimatverein hatte Herrn Eden gebeten, von dieser Kirchenführung einen Film zu erstellen. Die informative Führung klang mit einem gemütlichen Beisammensein Im „Kiebitznüst“ aus.

Pläne für ein neues Heimathaus

Jahreshauptversammlung Mitglieder des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V. trafen sich

Text von Henning Karrasch

Schortens – Auf der Jahreshauptversammlung des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V. blickte Vorsitzender Johannes Peters zurück und gab einen Ausblick aufs Jahr des 90-jährigen Vereinsbestehens. Derzeit hat der Heimatverein 207 Mitglieder. Es gab jeweils acht Beitritte und Todesfälle. Alle geplanten Veranstaltungen seien planmäßig durchgeführt worden. Gleiches wünschte sich Johannes Peters für 2019. In der Reihe der Kirchenerkundungen wurde 2018 ein Vortrag über die St. Stephanus-Kirche durch Ingeborg Nöldeke gehalten. Dies wurde von Jürgen Eden verfilmt. Dieses Jahr soll die St. Florian-Kirche Sillenstede mit Doris Wolken erkundet werden. Das Grünkohlessen war 2019 mit 54 Gästen ausgebucht. Klönabende soll es wieder geben, ebenso ein Osterfeuer, ein Erdbeerfest mit leckeren Kuchen der Mitglieder, das Güstkinnelbeer und eine Adventsfeier, zu der 2018 Pastor Rüdiger Gehrmann und Gert Riechelmann, Sohn des Schortenser Pastors im zweiten Weltkrieg, sprachen. Musik machte Christian Berner. Ebenso fest im Programm stehen der Stand bei „Wiehnachten bi de Kark“ mit 900 Tombolalosen und das Beiern zu Silvester mit „Glockensmeer“.
Im letzten Jahr gab es einen aufrüttelnden Vortrag über Plastikmüll in der Nordsee sowie ein lehrreiches Referat über die Landesforsten. Dieses Jahr wird zu Vorträgen über Neubürger in der Natur und Deichsicherung eingeladen. Die Radtour mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub ging zu Schortenser Gedenksteinen, für die sich der Heimatverein Erklärungstafeln in DIN A3-Größe wünscht. Diesmal soll es 20 Kilometer durch den Forst Upjever und eventuell über die Jeversche Allee gehen. Beim plattdeutschen Abend im September ging es bei Musik von Eckhard Rother um die Schortenser Dichterin und Malerin Mine Scherf. Dieses Jahr ist Liedermacher Helmut Hoffmann aus Großheide eingeladen. Güstkinnelbeer soll 2019 erstmals freitags gefeiert werden. Die Tagesfahrt 2018 ging nach Dötlingen und zu einem Pflanzenhof, 2019 sollen das ehemalige Erzbergwerk Damme und der Dümmer besucht werden.
Johannes Peters stellte Planungen für ein Heimathaus am Klosterweg vor. Diese waren 2018 beim Familienfest der Klosterpark-Freunde präsentiert worden. Es soll auf rund 500 Quadratmetern Nutzfläche die ostdeutsche Sammlung, eine Schortens-Ausstellung, das Olympia-Museum, Räume mit Platz für bis zu 80 Gäste auch anderer Vereine, Platz für Nachlässe wie den des Heimatforschers Paul Breuer, Archivalien wie die Fahne des Gemischten Chores Schortens sowie Küche und Sanitäranlagen enthalten. Dem Olympia-Museum sind bis 2022 Räume auf dem Gelände des Technologie Centrums Nordwest sicher.
Der Heimatverein sucht Beiträge für seine Rubriken „Bekannte Schortenser“ und „Vertriebene werden Friesländer“ aus allen Stadtteilen. Anfragen nimmt Johannes Peters unter 04461/80640 gern entgegen.

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