Regionale Frauenarbeit in den Fokus gerückt

Frauen stellten einen erheblichen Anteil am Aufschwung Nachkriegsdeutschlands und speziell der Olympia-Werke Roffhausen. Dies untersuchte Dr. Regina Rüdebusch aus Varel, die damit an der Universität Hamburg den Doktorgrad der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erwarb. In den Räumen des Technologie Centrums Nordwest (TCN) auf dem früheren Olympia-Werksgelände stellte die studierte Lehrerin für Geschichte und Mathematik ihre Arbeit mit dem Titel “Frauenarbeit in der Industrie in den Jahren des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders (1948 – 1966) am Beispiel der Olympia-Werke“ (Oldenburger Studien Band 94, Isensee Verlag Oldenburg 2021, gefördert durch die Oldenburgische Landschaft) vor. Mit dabei waren Frank Schnieder (TCN-Geschäftsführer), Ina Wiemers (TCN-Bürokommunikation), Peter Homfeldt (Leiter des Olympia-Museums im gleichen Hause), Johannes Peters (Vorsitzender Heimatverein Schortens von 1929 e.V.) und Verleger Florian Isensee. Johannes Peters hatte für die kleine Runde eigens einen Kuchen gebacken.

Dr. Regina Rüdebusch beschrieb, wie sie zur Geschichte der Olympia-Werke kam. Zwar gebe es in ihrer Familie keine „Olympianer“. Jedoch suchte sie für ihre erste Staatsexamensarbeit an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg 2008 ein regionalhistorisches Thema. „Ich dachte, ich klopfe
mal beim TCN an und stieß gleich auf offene Ohren“, erinnerte sie sich. Ebenso war es beim damaligen Vorsitzenden des Heimatvereins Schortens von 1929 e.V., Alfred Amman, selbst „Olympianer“. Schnell war auch die Idee eines Olympia-Museums geboren. Auf einen Zeitungsaufruf hin stand bald der halbe Vorraum der TCN-Geschäftsführung voller Schreibmaschinen, von denen Dr.
Regina Rüdebusch selbst eine besitzt. Peter Homfeldt bestätigte, erst am Morgen habe noch jemand telefonisch eine Schreibmaschine angeboten, um sie nicht verschrotten zu müssen.

Dr. Regina Rüdebusch fiel bei der Beschäftigung mit dem Thema der hohe Frauenanteil in den Olympia-Werken der 1950er und 1960er auf. Er lag in jener Zeit, als Frauenarbeit in der Industrie wenig akzeptiert war, bei gut 60 Prozent. Die Doktorandin untersuchte die Wechselwirkungen der Frauen zum Unternehmen. Teile ihrer Quellen lagen im Deutschen Technikmuseum Berlin. „Die Werksschließung ging holterdipolter, daher lässt sich kaum mehr nachvollziehen, wo Akten sind“, so Peter Homfeldt. Im Stadtarchiv Schortens habe er weitere Quellen, unter anderem Listen sämtlicher Olympia-Lehrlinge.

Frauen, die sie befragen konnte, fand die Varelerin schwer. „Männer besuchten Stammtische oder Kegelclubs, Frauen nicht“, nannte sie einen Grund. Frauen mussten die Genehmigung ihres Ehemannes einholen, um arbeiten zu dürfen, fügte Peter Homfeldt an. Nach der Heirat verlor sich mit der Namensänderung ihre Spur. Hier half der Heimatverein. Eine ehemalige „Olympianerin“ kannte
die andere. Doch manche meinten, da sie nicht zur Vorstandsetage gehörten, hätten sie doch nichts zu erzählen. Aber Dr. Regina Rüdebusch wollte ja gerade Geschichten vom Fließband hören, wo Frauen in der Fertigung und Hilfsfertigung, im Federbau, in der Schriftrichterei, an der Bohrmaschine oder als Werkstattschreiberin tätig waren. Eine Interviewpartnerin war als Vorstandssekretärin ihr ganzes Berufsleben lang bei den Olympia-Werken, eine andere war Leiterin des Werkstoff-Prüflabors. Aus der Unternehmenszeitung „Olympia-Ring“ erfuhr die Historikerin von der Werksschwester. „Mich
interessierte, welche Lebensmodelle es gab“, berichtete Dr. Regina Rüdebusch. Ein Großteil der Frauen ging, wie die Männer, gleich nach der Schule in die Firma. Da viele Frauen nur sechs Wochen am Band angelernt waren, konnten mit ihnen in der Fertigung Lohnkosten eingespart werden. Exemplarisch wertete die Historikerin Lohnzettel, die kaum jemand über Jahrzehnte aufhebt, aus zwei Jahren aus. Viele Mädchen wurden zu Bürogehilfinnen ausgebildet. Sie begannen als Laufmädchen, die zwischen den Büros Verbindungsgänge machten. Drei Jahrgänge wurden im gewerblichen Bereich und der Feinmechanik, eventuell als technische Zeichnerinnen, ausgebildet. Die meisten Frauen blieben bis zur Geburt des ersten Kindes. Geburtsanzeigen im „Olympia-Ring“ mit Abteilungsnummern der Eltern künden davon. In dieser Zeitschrift wurde Frauenerwerbstätigkeit thematisiert. Es gab Tipps, Hausarbeit neben dem Beruf zu erledigen, zu Mode und Schönheit, etwa,
dass das Kleid durch Umnähen des Kragens moderner wirke. Weitere Gründe, weshalb so viele Frauen „Olympianerinnen“ wurden, waren die Vertriebenensiedlung gegenüber, die Kindergärten und die gute Erreichbarkeit mit Bussen.

Die Ausgangslage der Ansiedlung der Olympia-Werke sei von der Strukturschwäche der Region geprägt gewesen, führte Peter Homfeldt, der hier ab 1953 zum Feinmechaniker ausgebildet wurde, aus. Nach dem Ende der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven, dessen Materiallager sich in Roffhausen
befand, war diese Ansiedlung ein Glücksfall. Die Region war dadurch von Arbeitskräften leergefegt.

Nach dem Untersuchungszeitraum seien in den 1970ern Standorte der Olympia-Werke dort eröffnet worden, wo man viele Frauen vermutete, die mit dem Rad zur Arbeit fahren und sich etwas dazuverdienen wollten, ergänzte Peter Homfeldt. Dr. Regina Rüdebusch hat Projektverträge beim Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und arbeitet an der Weiterentwicklung von Media Guides und der Inklusion. „Das Thema passt hervorragend in unser Verlagsprogramm und zeigt eine vernachlässigte Perspektive“, meinte Florian Isensee.

Ina Wiemers berichtete von den Gästeführungen. Sie wurden nach Eröffnung des Olympia-Museums stets mittwochs nachmittags angeboten und kamen gut an. „Bei der Frage, wer „Olympianer“ war, gingen Dreiviertel der Hände hoch. Dabei kamen locker 700 Dienstjahre zusammen“, erinnerte sie sich. Peter Homfeldt ergänzte, heute fragten Enkel nach einem Besuch im Olympia-Museum für den Großvater zu dessen 80. Geburtstag oder Goldhochzeit. Statt fester Öffnungszeiten werden derzeit Gruppen nach Vereinbarung geführt. Ihnen werden einzelne Interessierte gern zugeordnet.

Historische Maschine lässt Feldarbeit wie früher erleben


Landwirtschaft Der Heimatverein Schortens von 1929 e.V. erhielt eine Dippelmaschine geschenkt

Schortens- /Der Heimatverein Schortens von 1929 e.V. kann sich über ein weiteres Exponat freuen, dass hervorragend in die Sammlung passt, wie Vorsitzender Johannes Peters meint. Es handelt sich um eine Dippelmaschine. Sie verteilt Saatgut in den Furchen eines Feldes. Gebaut wurde sie von Gerhard Knaak um 1960 herum, schätzen dessen Schwiegersohn Ralf Mannott und Enkel Manuel Mannott. Da Gerhard Knaak 1928 in Zirchow in Hinterpommern
geboren wurde, wird auch eine Verbindung zur Ostdeutschen Kultur- und Heimatstiftung geschaffen. Zirchow heißt heute Sierakowo Sławieński und liegt rund 30 Kilometer von der damaligen wie heutigen Kreisstadt Slawno (Schlawe) entfernt.

Aus seinem Lebenslauf, den der 2003 verstorbene Gerhard Knaak 1950 als Schmiedelehrling in Jeringhave verfasste, geht hervor, dass er nach achtjährigem Schulbesuch 1943 die landwirtschaftliche Berufsschule im benachbarten Ratteick (heute Ratajki) besuchte, denn er sollte den elterlichen Hof erben. Im Januar 1945 wurde der 16-Jährige zum Reichsarbeitsdienst und acht Wochen später zur Wehrmacht eingezogen. Sein kriegsversehrter Oberfeldwebel in Norwegen hielt ihn aus Kämpfen heraus, erinnert sich sein
Schwiegersohn. Gerhard Knaak geriet in Kriegsgefangenschaft und ließ sich im Juni 1945 nach Jeringhave entlassen. Seine Eltern waren in Schortens gelandet.

Nach vier Jahren in der Landwirtschaft begann Gerhard Knaak seine Lehre. Diese musste er nach dem Tod seines Meisters Otto Eilers 1952 bei einem anderen Schmied beenden. Von 1954 bis 1979 arbeitete Gerhard Knaak als Schlosser bei den Olympia-Werken, wohin er anfangs von Varel mit dem Rad fuhr. Zahlreiche Verbesserungsvorschläge brachte er ein, so Ralf Mannott. Nach der Heirat 1954 baute Gerhard Knaak 1955 am Papenmoorlandsweg in
Schortens das Haus für seine vierköpfige Familie. Auf 30 Quadratmetern Fläche hob er den Keller mit Spaten selbst aus. Beruflich ging es für ihn zweimal in die Sowjetunion. Dort sollte ein Schreibmaschinenwerk gebaut werden. Nach seinem zweiten Aufenthalt dort bekam der 56-Jährige einen Schlaganfall und wurde nicht wieder voll erwerbsfähig. Seinen Geburtsort besuchte Gerhard Knaak nie wieder, wohl aber seine Schwester. Der elterliche Hof ist weg,
nur die Kirche steht noch.

Inklusive zugepachteter Fläche für Roggen, die ein Landwirt mit Gerhard Knaaks Hilfe mähte, bewirtschafteten Knaaks rund 4000 Quadratmeter Grund. Zur Selbstversorgung wurden Hühner, Tauben, Fasane, Enten, Kaninchen und zwei Schweine gehalten, von denen, wie der Roggen, stets eines als Abtrag für das Haus verkauft wurde. „Geht nicht, gibt’s nicht“ sei das Motto seines Großvaters gewesen, sagt Manuel Mannott, der dessen Gesellenstück,
eine Axt, aufbewahrt. Er lernt Metallbau und Maschinenbau und besitzt eine Feldesse der 1940er Jahre. Gerhard Knaak baute sich die Dippelmaschine, um Samen von Erbsen und Bohnen, auf die das Gerät eingestellt wurde, besser legen zu können. Im Innern sieht man das Rad mit Schweineborsten, das die Samen verteilte. Die Antriebskette könnte Gerhard Knaak von seinem Motorrad genommen haben, dass nie ansprang, mutmaßt Ralf Mannott. Einen PKW-Führerschein besaß sein Schwiegervater nicht. Manuel Mannott entdeckte die
Dippelmaschine auf dem Dachboden. Er konservierte ihre Patina mit Klarlack. Später wurde sie im früheren Schweinestall gelagert. Sie gehöre zu Schortens und solle unbedingt hier erhalten bleiben, finden Ralf und Manuel Mannott.