Der Heimatverein Schortens lädt am Donnerstag 24. April entgegen der ursprünglichen Planung schon um 17 Uhr Mitglieder und Gäste zu einem Vortrag von Hans-Jürgen Heise über die Herrlichkeit Kniphausen in den ehemaligen Kindergarten Weichselstraße 2 (gegenüber vom Bürgerhaus) ein. Der Eintritt ist frei.
Die Burg Kniphausen gehört zu den ältesten und bedeutsamsten Gebäuden auf dem Gebiet der Stadt Wilhelmshaven. Erbaut 1438 von Lubbe Onneken, war sie für mehr als 400 Jahre Regierungssitz eines selbständigen Kleinstaates im Flickenteppich des deutschen Reiches. Während die Mehrzahl der Staaten jener Zeit aus dem Lehnswesen hervorgegangen sind, kann die Herrlichkeit Kniphausen auf eine gewissermaßen basis-demokratische Entwicklung zurückblicken, deren Wurzeln in der genossenschaftlichen Organisation der Kirchspiele liegen. Auf dieser seit Generationen bewährten Basis und ihrer sozialen Netzwerke formierte sich ein stabiles Staatswesen, welches im wesentlichen von allen 13 Kniphauser Regenten bis zu ihrem Ende beibehalten wurde. In der Endphase unter der Regentschaft der Grafen von Bentinck verfügte die Herrlichkeit schließlich über alle klassischen Symbole eines souveränen Staatsgebildes.
Erinnerungen an Schortens von Dr. Menno Aden (Oberkirchenratspräsident a.D.)
Anfänge In meiner aller frühesten Erinnerung sehe, wie ich mich aus meinem Kinderbett Kopf über in das Bett meiner Eltern fallen lasse. Das muss im Sommer 1944 in Diedenhofen/Lothringen gewesen sein, wohin mein Vater versetzt war. Mein Vater wurde Ende 1944 an eine Artillerieschule bei Magdeburg versetzt. Meine Mutter dürfte dann mit mir nach Delmenhorst gefahren sein. Die Zugreise muss schrecklich gewesen sein. Bei der fast unbeschränkten alliierten Luftüberlegenheit geschah es regelmäßig, dass auch rein zivile Ziele, hier unser Personenzug, von britischen Tieffliegern beschossen wurde, wobei, wie meine Mutter erzählte, es viele Tote gegeben habe. Ich soll in dem Durcheinander gesungen haben. Ab dann werden meine Erinnerungen etwas deutlicher. Ich stehe auf einer Straße, vielleicht in Delmenhorst, mit anderen Jungen und ich beschimpfe die hoch über uns fliegenden Flugzeuge mit den Worten Kasper, Kasper, denn offenbar wusste ich schon, dass diese Flugzeuge nichts Gutes bedeuteten. Eine nächste Erinnerung ähnelt dem Vorfall, den Goethe von sich in Dichtung und Wahrheit beschreibt. Goethe warf zum wachsenden Vergnügen der Passanten Tongeschirr aus dem Fenster auf die Straße; bei mir waren es persönliche Gegenstände meiner Mutter, darunter wohl auch Schmuckstücke, die ich in einer Schublade gefunden hatte.
Schortens Im Sommer 1947 kam mein Vater aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück. Vom Oberkirchenrat der Oldenburgischen Evgl.- Lutherischen Landeskirche wurde ihm, der vor dem Krieg Pfarrer an der Stadtkirche Delmenhorst gewesen war, vermutlich wegen seiner NS- Vergangenheit die wesentlich weniger attraktive Pfarrstelle in Schortens Kreis Friesland zugewiesen. (Ich verwende hier Erinnerungen meines Bruders Gerhard, z.T. wörtlich) Schortens zählt mit seither vollzogenen Eingemeindungen heute (2020) rd. 20.000 Einwohner. Damals waren es etwa 7.000 Seelen, die mein Vater zu betreuen hatte. Diese verteilten sich auf eine Reihe von Bauernschaften wie Ostiem, Addernhausen, Schoost, Heidmühle u.a. Das Namen gebende Kirchdorf war Schortens. Da wohnten wir in einem landestypischen großen Pastorenhaus mit einem ebenfalls landestypischen riesenhaften Grundstück. Neben diesem parkähnlichen Anwesen verlief eine Einbahnstraße, auf deren Gegenseite sich eine etwa 2m hohe künstliche Warft erhob mit der Kirche und dem Friedhof. Vom Pfarrhaus, oder wie mein Vater es nannte der Pastorei zu seiner Hauptwirkungsstätte ging man also keine 5 Minuten. Die Kirche war und ist noch der Mittelpunkt von Schortens, auch wenn sie infolge der Eingemein-dungen politisch jetzt an den südlichen Rand gerückt ist. Die Kerngemeinde bestand aus alteingesessenen Landwirten und Ost-Vertriebenen. Aus ihrem Wohnzimmer konnten die Landwirte nach Süden hinaus auf ihr Land bis Dykhausen sehen. Der Ems – Jade – Kanal bildet hier etwa die Grenze zwischen dem Jeverland, das zu Oldenburg gehört, und dem Kreis Wittmund in Ostfriesland. Hier liegt auch das überregional bekannte Wasserschloss Gödens aus dem Jahre 1517 der Grafen Wedel. Dem durchschnittlichen Landwirt gehörten etwa 30 bis 40 ha, den größeren um die 60 ha. Helmerich Folkers war mit über 100 ha der größte und folglich angesehenste Bauer. Er gehörte dem Kreistag an und natürlich auch dem Gemeindekirchenrat. Die westliche Nachbargemeinde Reepsholt, berühmt wegen ihrer aus dem 10. Jahrhundert stammenden Klosterruine, gehörte schon zum Kreis Wittmund und war daher Ostfriesland. Das war für uns, kirchliches Ausland, denn wir gehörten zur Oldenburgischen Landeskirche, Ostfriesland aber zur hannoverschen Landeskirche. 2 km nach Norden liegt der Ortsteil Heidmühle, das mir fast schon etwas städtisch erschien. Dort war neben Ostiem der zweite Bahnhof auf der Strecke Jever – Sande und vor allem das Centraltheater, unser Kino. Heidmühle war eine Art Arbeiterviertel der Gemeinde. Viele arbeiten in dem Olympia – Werk Roffhausen bei Wilhelmshaven. Roffhausen gehörte politisch und kirchlich noch zu Schortens. Das zum untergegangen AEG – Konzern (dieser mit den Namen Emil und Walther Rathenau verbundene ehemals nach Siemens zweitgrößte deutsche Elektrokonzern ging 1982 in Konkurs) gehörende Olympiaschreibmaschinenwerk war damals das bei weitem größte Industrieunternehmen zwischen Jade und Ems. Man war sehr stolz darauf, denn eines Tages hieß es, unser Olympiawerk seien nun das größte Schreibmaschinenwerk der Welt, noch vor dem Konkurrenten Olivetti. In Heidmühle fanden auch die meisten Ost- Vertriebenen in neu gebauten Siedlungen ein neues Zuhause.
Schortenser Kirche Mitte des Dorfes war und ist noch die Kirche aus dem Jahre 1153. Ein wuchtiger Bau, zum Teil aus Findlingen errichtet, welche die letzte Eiszeit aus Skandinavien hierher verschoben hatte mit getrennt stehendem Kirchturm. In die Kirche gelangte man durch den schmalen Gang zwischen Turm und Kirchenschiff vermittels eines Schlüssels, dessen Größe der Größe der Kirche entsprach. Das Schloss wurde, aber das wussten nur Eingeweihte, durch eine Linksdrehung geöffnet.
Dann trat man in einen Vorraum, von dem man auf den Orgelboden gelangte, auf dem der Organist „Fiet”, er hieß wohl Fritz, Classen nicht immer fehlerfrei die Orgel spielte. Da es noch keinen elektrischen Blasebalg gab, musste eine vollwichtige Person während des Gottesdienstes den Balg treten. Als Kind war man dafür zu leicht. Es geschah dann immer wieder einmal, dass zu Beginn eines Chorals noch nicht genug Luftdruck aufgebaut war. Dann konnte Fiet Classen der Orgel nur einen anschwellenden Pfeifton entlocken, sodass der Choral erst allmählich in Schwung kam. Das änderte sich erst um 1955, als auch die Glocke, die bis dahin von „Küster Bümmerang“ (vgl. das populäre plattdeutsche Lied von „ Pastor sein Koh“. – Der Küster hieß in Wahrheit Wessels) mit einem langen Glockenstrang bewegt worden war, einen Elektromotor erhielt. Dieser Organist nahm sich gelegentlich die Freiheit, bei der Predigt meines Vaters die Regionalzeitung, das Jeversche Wochenblatt, zu lesen oder noch gar, sich im Dorfkrug zu erfrischen, der 200m von der Kirche entfernt lag. Von dem Vorraum, dem Windfang, gelangt man in das Hauptschiff. Der Blick wird auf den Altar gelenkt.
Hauptbild es Altars
Das Altarbild ist eine aus Eichenholz geschnitzte Gesamtdarstellung der Lebensgeschichte Jesu in 24 Bildern. Der Künstler ist unbekannt wie auch das Jahr seiner Entstehung, das aber um 1510 vermutet wird. Der Schortenser Altar hält den Vergleich mit dem berühmteren Bordesholmer Altar im Dom von Schleswig wohl aus. Er wurde von vielen Fremden besucht. Mir fiel dann oft die Aufgabe zu, den Kirchenschlüssel auszuhändigen, seinen Gebrauch zu erklären und auch schon einmal aufzupassen, dass nicht, wie es ein oder zweimal geschah, eine Figur entwendet wurde. Links des langen Mittelganges befinden sich die unbequemen Kirchenbänke – Bank und Rückenlehne stehen in 90 0 . Wer es bequemer wollte, musste sich ein Kissen mitbringen. Bis etwa Mitte der 1950er Jahre bestand noch die Übung, dass links vom Mittelgang die Männer und rechts die Frauen ihren Platz hatten. In dieser Kirche wurden meine Schwestern Eva und Gesa von unserem Vater getauft und wir alle konfirmiert.
Elternhaus Das Pfarrhaus war riesig. Im Obergeschoss wohnten anfangs noch die Witwe des im Krieg gefallenen Amtsvorgängers meines Vaters Otto Riechelmann und deren zwei Söhne Gerd und Jürgen. Jürgen, der jüngere war mein dicker Freund. Außerdem wohnten noch ein Herr Cord und die Gemeindeschwester im Hause. Unser Dienstmädchen, so hieß das, musste auch ein eigenes Zimmer haben. 1947, als wir kamen, wohnte auch noch eine aus Schlesien vertriebene Familie Kienast in dem Zimmer, welches später das Amtszimmer meines Vaters war. Diese vierköpfige Familie hatte das Zimmer durch von oben herabhängende Decken Wände derartig abgeteilt, dass der Eindruck einer 3 – 4 Zimmer – Wohnung entstand, die ich eigentlich ebenso gemütlich fand wie die kuschelige Enge meiner Großmutter in der Lydiastraße in Hamburg- Wandsbek. Zu dem Pastorenhaus gehörte ein Park, wie wir ihn nicht zu Unrecht nannten. Der ging in den Gemüsegarten über, in dem wir Kartoffeln und Bohnen und Erbsen zogen. Park und Gemüsegarten müssen das wohl an die 5000 m 2 groß gewesen sein. Heute ist das Grundstück geteilt und durch eine Anfang 1960 von meinem Vater heiß bekämpfte Ortsdurchfahrt seitlich beschnitten. Aber der verbleibende Teil ist immer noch sehr groß. Damals erschien er mir riesig. Ich hielt es für meine Pflicht, jeden Baum zu erklettern. Psychologisch könnte man diesen Trieb wohl als eine Form der persönlichen Besitzergreifung ansehen, denn niemand sonst war darin so eifrig. Auch mein etwa zwei Jahre älterer Freund Jürgen Riechelmann stand mir insofern nach. Bäume klettern war meine liebste Beschäftigung. Ich brachte es darin zu einer ziemlichen Fertigkeit. Dabei lehnte ich selbstverständlich Hilfsmittel wie Leitern ab. Als Student habe ich meine Kameraden dann mehrfach mit meiner Kunst beeindruckt, Peitschenmasten zu erklettern und z. B. in der Bonner Schumannstraße die Gaslaternen abzustellen. Damals wog ich allerdings auch nur 65 Kilo. Eine kürzlich von mir befragte Einwohnerin aus Schortens meinte, ein so großes Haus sei doch keinem Pastor zuzumuten. Aber nein doch! Für uns war es gerade recht! Alle Pastorenhäuser in Friesland und wohl auch in anderen Gegenden Deutschlands waren auf große Familien ausgelegt. Meine Eltern waren mit fünf Kinder keine große Ausnahme, auch wenn die meisten Kollegen meines Vaters bereits auf dem Weg zu der heutigen Zwei – Kind -Standardfamilie waren. Die gesamte Nutz- und Wohnfläche unseres Hauses mochte wohl etwa 500 m² umfasst haben. Der Wohnteil ging über in die große Waschküche. In deren Mitte befand sich ein großer Bottich. Dieser wurde mit Torf geheizt, wenn bei uns das stattfand, was der von Wilhelm Busch dichterisch begleitete Tobias Knopp als „Wäschefest“ erlebte. Man versteht sehr gut, dass er davor die Flucht ergriff, denn noch bei uns war es so, dass an Waschtagen das ganze Haus von Persil – Geruch und Dampf aus der Waschküche erfüllt war. Frau Schmoll, unsere Waschfrau, rubbelte noch wie zu alten Zeiten auf dem Waschbrett. Ich habe noch ihre ausgelaugten Hände vor Augen, wenn sie dann zum Mittag mit uns am Tisch saß. Hinter der Waschküche war der Hühnerstall. Wir hatten einen Hahn und, ich weiß nicht mehr, etwa 4 bis 5 Hühner. Diese hatten vermittels eines Mauerdurchbruchs Zugang zu einem großen Hühnerhof, in welchen meine Mutter Küchenabfälle entsorgte. Ich fand das manchmal eklig. Die Tiere fressen nicht alles und dann glibberten und faulten die Abfälle so vor sich hin. Ich habe den Hühnerhof dann manchmal freiwillig umgegraben. Wir litten niemals Not, aber manchmal war es doch recht knapp. Mehr als einmal wurde ich von meiner Mutter in den Hühnerstall geschickt, um einem gackernden und feindselig auf mich einpickendem Huhn das eben gelegte Ei zu entreißen. Danach Hinter dem Hühnerstall kam– Toilette möchte ich das eigentlich nicht nennen – das Plumpsklo. Das waren Holzvorrichtungen mit einem runden Loch, durch welches ein kleineres Kind durchaus rutschen konnte. Es gab ein Zwillingsklo und ein Einzelklo. Unsere Ausscheidungen fielen dann auf eine vom Gebrauch glitschig gewordene Schräge und rutschten in die vor dem Gebäude angebrachte Jauchengrube. Diese wurde einmal im Jahr von einem dazu bestellten Fuhrunternehmer geleert. Hinter diesen Klos befanden sich Stallungen, die für eine Kuh und ein Schwein ausreichten. Bis etwa 1955 hielten wir ein Schwein. Ich erinnere mich lebhaft an die Schlachttage. Ein Wandermetzger wurde bestellt, der das Schwein schlachtete und über Nacht auf einem Schragen ausdampfen ließ, um es dann am Folgetag zu zerlegen und zu verwursten. Es war sehr nahrhaft, dabei zu stehen. Die frische durch den Fleischwolf gedrehte Wurstmasse liegt mir fast noch auf der Zunge. Vor dem zu Schaum geschlagenen Schweineblut, das mit Speckstücken versetzt zur Blutwurst verarbeitet wurde, habe ich mich aber gegruselt. Die beiden Schinken wurden von meinem Vater gesichert und auf dem so genannten Heuboden über dem Stall in für mich und meinen Freund Jürgen Riechelmann fast unerreichbarer Höhe aufgehängt. Fast – wir konnten eben doch da hinaufklettern. Finanziell ging es uns zumal im Vergleich zu den meisten recht gut. Wir konnten bestimmt nicht klagen und taten es auch nicht. Wir hatten die Vertriebenen, die Kriegerwitwen, Kriegsversehrten und die Arbeitslosen täglich vor Augen. Es war alles knapp – aber es reichte. Ich trug die Kleidung meiner Hamburger Vettern auf. Während viele seiner Amtskollegen über das nicht auskömmliche Pastorengehalt klagten (das kam mir, als ich später in Mecklenburg Chef des Ganzen war, so bekannt vor!) habe ich von meinen Vater derlei niemals gehört.
Meine Welt Meine Welt – das war erst einmal Schortens. Ich habe mit etwa zehn Jahren Schortens mit dem Fahrrad durchstreift. Alle neu gefundenen Wege trug ich in eine selbst gefertigte Landkarte von Schortens ein. Meine Karte sah bald etwa so aus wie die Tabula Peutingeriana (ich gebe dieses Beispiel, weil ich finde, dass sich bei diesem Thema etwas zeigt ähnlich wie in der biologischen Ontogenese/Phylogenese. Wie lange dauerte es doch, bis die Menschheit aus primitiven Wegbeschreibungen brauchbare Landkarten zu zeichnen wusste. Vgl. Aden M Kulturgeschichte der großen deutschen Entdeckungen). Ich erkannte das Geheimnis des Maßstabes noch nicht. Die nächstgrößere Einheit war das Jeverland; eigentlich aber nur das Nordjeverland, denn Varel und die Friesische Wede lagen schon etwas am Rande. In Stiekelkamp war ich mit meinem Vater schon mehrfach gewesen. Eines Tages, ich weiß nicht mehr wie und warum, fuhr ich ohne klare Orientierung mit dem Fahrrad zu meiner Oma in Stiekelkamp. Das war längere Zeit vor ihrem Tode 1955, ich konnte also kaum viel älter als 10 Jahre gewesen sein. Alle waren schier aus dem Häuschen, als ich da plötzlich unangemeldet auftauchte: Heel alleen mit Rad – höre ich meine Oma noch ungläubig ausrufen. Aber sie war natürlich stolz auf ihren Enkel, der schließlich ein Menno war. Wer von ihren Enkeln Menno oder Gesine hieß, galt einfach mehr. Daran war nicht zu rütteln! Wilhelmshaven, 1960 mit 100.000 Einwohnern schon Großstadt, lag keine 20km von Schortens entfernt. Trotz dieser Nähe spielte es in unserer Welt fast keine Rolle. Das war sicher auch eine Folge davon, dass Wilhelmshaven historisch nicht mehr zu Oldenburg gehörte (im Jadevertrag von 1853 hatte Oldenburg des Gebiets an Preußen abgetreten, sodass Preußen hier einen Nordseekriegshafen anlegen konnte). Roffhausen, eigentlich ein Vorort von Wilhelmshaven, war aber oldenburgisch geblieben und war daher kirchlich Teil der Gemeinde Schortens. Unser Zentrum war Jever und eine Etage höher Oldenburg. Das Land Niedersachsen und die Landeshauptstadt Hannover lagen für uns schon ziemlich im Nebel. Der damalige Regierungssitz Bonn lag am Rhein, und wo der genau verlief, mochten jene wissen, die dort schon mal waren. Wir nicht. Auch meine Vorstellungen vom Aufbau unseres Staates waren sehr dürftig. Jever hatte ein Amtsgericht. Aber ob ich als Abiturient eine Vorstellung davon hatte, was man da tat, bezweifele ich. Vom Landgericht, Oberlandesgericht oder gar Bundesgerichts- hof wusste ich nichts. Von wirtschaftlichen Fragen hatte ich ebenfalls keinerlei Ahnung, denn ich weiß noch, dass ich mich über das ständige Vorkommen des Wortes „Wirtschaft“ wunderte, denn Wirtschaft, ich schäme mich fast, es zu sagen, war für mich die Gastwirtschaft Dorfkrug oder Zur treudeutschen Ecke, und ich fragte mich, wohl noch als Gymnasiast, weswegen man in Zeitung und Radio, wo ständig von Wirtschaft die Rede war, über solche Schänken so ein Gewese machte . Meine Vorstellungen vom Aufbau der Welt und der darin herrschenden Hierarchie waren simpel: Studienräte – Schuldirektor des Mariengymnasiums – Oberschulrat. Dieser aber war bereits eine halbmythische Figur irgendwo in der Ferne. Für meinen Vater und damit für uns als Familie war natürlich der Bischof der Oldenburgischen Landeskirche, damals Wilhelm Stählin, die oberste Instanz (Ernst Wilhelm Stählin (1883 – 1975)). Dieser Name fiel zwar immer wieder einmal bei den gemeinsamen Mahlzeiten, aber viel mehr als ein Name war er für mich nicht. Allerdings ließ er uns anlässlich meiner Konfirmation 50 DM zukommen. Ein guter Mann also. Höher hinaus gab es aber eigentlich nichts. Von der EKD, dem Zusammenschluss der deutschen evangelischen Landeskirchen, habe ich soweit mir erinnerlich niemals gehört. Von Katholiken eigentlich auch nicht. Man wusste nur, dass es da draußen in der Welt Katholiken gab, und dass die einen Papst haben. Schließlich waren viele Vertriebene aus Schlesien, und wir hatten sogar eine katholische Mitschülerin. Die stammte aus einer Mischehe. So nannte man die konfessionell gemischten Ehen. Aber was „katholisch“ war, wurde uns allenfalls am Reformationstag vorgestellt, und dagegen hatte mein Held Martin Luther doch gesiegt. Vom Islam aber wusste man fast nichts. Jedenfalls nicht mehr als was den Karl May Erzählungen Durch die Wüste, Von Bagdad nach Stambul usw. zu entnehmen war. Mein Vater hat den Koran sicherlich niemals in der Hand gehabt oder gar gelesen. Auch er dürfte vom Islam kaum mehr als den Namen von dessen Stifter gekannt haben. Im staatlichen Bereich war mir zwar noch der Name unseres Oberkreisdirektors des Kreises Friesland, dem Schortens angehörte, bekannt, er hieß Dr. Oltmanns. Was ein Oberkreisdirektor zu tun hatte, wusste ich aber auch dann noch nicht, als ich 1962 auszog, um in Tübingen Jura zu studieren. Wozu man einen Regierungs-präsidenten braucht, der Oldenburg unter dem historischen Namen Verwaltungspräsident sein Amt versah, wusste ich auch nicht. Ich stieg mit meinen Interessen an den Weltläufen nur ganz oben ein wie die Historiker, die in Privatgesprächen Napoleon, Alexander dem Großen, Bismarck usw. Ratschläge geben und Noten erteilen, aber die Ebenen darunter übersehen. So fand ich gedanklich eigentlich erst wieder auf der Ebene von Adenauer und den führenden Politikern der Welt meine gedanklichen Gesprächspartner. Zu diesem Zweck lernte ich die Bevölkerungszahlen der wichtigsten Staaten der Erde. Es ist angesichts des seither eingetretenen Bevölkerungswachstums heute sehr lehrreich zu wissen, dass die USA damals etwa 180 Millionen Einwohner hatten, Brasilien um die 90 Millionen usw. Auch die Gebietsgröße der Staaten habe ich mir damals eingeprägt und mit Kummer auf die 248.000 km² geschaut, auf welche das schöne Deutsche Reich von 1914 mit seinen 550.000 km² zusammengeschmolzen war. Für das nach 1945 von den Briten künstlich geschaffene Land Niedersachsen, dem wir angehörten, oder das in Besatzungszonen aufgeteilte Westdeutschland konnte ich kein rechtes Interesse aufbringen. Diese Enge weicht aber etwa seit dem 16. Lebensjahr einer umfassenderen Weltsicht, wie meine Fahrradtour 1958 zeigt. Mein Interesse für wirtschaftliche Fragen kann ich fast auf den Tag datieren, als ich nämlich am 16. Januar 1959 den Konzernabschluss der Unilever N.V. in Die Welt las.
Die Feier war gut besucht, aber leider sind einige angemeldete Gäste nicht erschienen. Da wir die Kosten für Tee, Kaffee und Stollen nach der einige Tage vorher erforderlichen Angabe der angemeldeten Personenzahl bezahlen müssen, entsteht dem Verein ein Verlust. Von der Kirchengemeinde war die Pastorin Heitmann unser Gast, die ein persönliches Erlebnis aus ihrer Studentenzeit erzählte und beim Singen unserer Weihnachtslieder die Melodie kraftvoll anstimmte.
Bild: Jürgen NiemannBild: Jürgen Niemann
Zwei Söhne ehemaliger Schortenser Pastoren hatten sich angemeldet. Gert Riechelmann, der älteste Sohn des Ende des zweiten Weltkrieges gefallenen Pastors Otto Riechelmann, hat vor Jahren seine alte Heimat Schortens wiederentdeckt. Ebenso Menno Aden, der älteste Sohn von Pastor Gerhard Aden, der von 1947 bis 1962 in Schortens war. Er erzählte seine Kindheitserinnerungen an Schortens, die auf unserer Internetseite veröffentlicht werden. Johannes Peters las die Weihnachtsgeschichte in Plattdeutsch vor und Menno Aden die Version seines ostfriesischen Vetters in deren Plattdeutsch. Unser Mitglied Herbert Perschke hatte seine Mundharmonika mitgebracht und spielte zwei Weihnachtslieder.