Unter der fachkundigen Führung von Hans-Heinrich Schrievers vom III. Oldenburgischen Deichband ging es vom Bahnhof Heidmühle aus nach Ellenserdamm zum höchsten Deich Frieslands. Schon bei der Vorbeifahrt an der Schortenser St.-Stephanus-Kirche waren wir mitten im Thema, denn diese Kirche wurde auf einer hohen Warft gebaut, weil die Bewohner sich und ihre für den Lebensunterhalt wichtigen Tiere wegen fehlender Deiche vor Sturmfluten in Sicherheit bringen mussten. Auf der Weiterfahrt zum mit 9,8m höchsten Deich Frieslands zwischen Cäciliengroden und Ellenserdammersiel fuhren
wir auf der alten B69 auf dem ehemaligen Ellenserdamm, der nach dem Tode von Frl. Maria im Jahre 1575, als Jever an die Grafen von Oldenburg fiel, gebaut wurde. Wegen des tief ins Land hineinragenden Schwarzen Bracks musste der Graf über Ostriesland unter Zahlung von Wegezoll nach Jever, was ihm missfiel. Unter Graf Anton Günther wurde der Damm 1615 mit dem Deichbaumeister
Albert Brahms fertiggestellt. Als Folge verlagert sich der Handelsverkehr von Neustadtgödens nach Ellenserdammersiel. Der Deich ist an dieser Stelle so hoch, weil sich herausgestellt hat, dass bei Sturmflut mehr Wasser in den Jadebusen gedrückt wird und nicht vollständig wieder abfließen kann und somit bei der nächsten Flut bis zu 2m noch höher aufläuft. Der Deichbau hat sich geändert, weil die steileren Deiche mit Schrägen vom 1 zu 2,5 bei Überspülungen von innen her brachen. Heute haben wir überströmbare Deiche mit einem Deichfuß von 100m und Schrägen von 1 zu 4. Dangast hat keinen Deich, weitere Schutzmaßnahmen werden dort überlegt. Das Schöpfwerk Petershörn entwässert auch Schortens, Speicherpolder dienen zur Zwischenspeicherung, wenn nicht entwässert werden kann. Wir fahren an Cäciliengroden vorbei, die Häuser wurden für die Werftarbeiter gebaut und zwischen 1938 und 1940 bezogen. Der dann sichtbare Flugplatz Mariensiel liegt höher, weil Sand vom U-Boot-Hafen hier aufgefahren wurde. Wieder muss eine Schranke aufgeschlossen werden. Für die über 200 Tore entlang der Deichlinie
gibt es ein einheitliches Schließsystem. Wir erreichen das Fischerdorf beim Banter See. Früher wohnten hier Berufsfischer , heute gibt es keinen berufsmäßigen Fischfang mehr und nach Erhöhung des Deiches 1972 gab es eine Vereinbarung, dass 28 Hütten in der Zeit vom 15. April bis 15. September dort stehen dürfen solange die Besitzer leben, aber die Zahl wird nicht geringer, weil der Platz vererbt wird. Es ist einer der teuersten Campingplätze an der
Nordsee. Wir erreichen den Südstrand und hören vom Reiseführer, dass die Hotels dort dem Deichband gehören und die Stadt Wilhelmshaven diese nach dem Erbbaurecht bewirtschaftet. Immer wieder fahren wir, wie auf der Neuengrodener Straße auf alten Deichen, denn Straßen wurden wegen deren Höhe gerne dort gebaut. Beim Ölhafen besichtigten wir eine aktuelle Deichbaustelle und die dortige Erinnerungssstätte Seefrieden. An diesen
Deichstellen ohne Deichvorland muss der Deichfuß mit besonders schweren Steinen aus Norwegen gesichert werden und solche Maßnahme kostet dem Deichband für 400 Meter ca. 4 Millionen Euro. Die Deichbaukosten werden zu 70% vom Bund und zu 30% vom Land bezahlt, Deichbaumaßnahmen dürfen nur in der Zeit vom 15. April bis 15. September durchgeführt werden. Für die Deichsicherung im anschließenden Marinestützpunkt ist der Bund zuständig, dort besteht noch Handlungsbedarf. Auf der Weiterfahrt durch den Jade-Weser-Port sehen wir ein riesiges Steinlager des Deichbandes mit Deckwerkssteinen eines bestimmten spezifischen Gewichtes aus Norwegen. In Höhe der Eisenbahnlinie des Jade-Weser-Ports ist ein 500ha großes Gelände, das man hat verbuschen lassen und das nun nur zur dringenden Industrieansiedlung abgeholzt werden darf, wenn eine 7fache Ausgleichsfläche, also 3500ha, gefunden wird. Für die Löschbrücken mussten zur Durchleitung der Rohrleitungen durch den Deich Ausnahmegenehmigungen erteilt werden und weil Leitungen für Öl und Chemikalien nicht dicht zusammenliegen dürfen, mussten für die damalige Raffinerie und für ICI zwei getrennte Löschbrücken gebaut werden. Die Ansiedlungsfläche für die Flüssiggasanlieferung vor Hooksiel ist glücklicherweise nicht verbuscht und kann genutzt werden. Der Hafen von Hooksiel verschlickt und muss für die künftige Nutzung als Standort der Schlepper für die Flüssiggastanker ausgebaggert werden. 1km des Deiches vor dem Badestrand wird nächstes Jahr um 1m erhöht. Der dafür notwendige Klei ist schon aus Baugebieten vor Hooksiel und Jever gesammelt worden. Nach einer Stärkung beim Mittagessen in Hooksiel geht es weiter Richtung Küstenschutz-Camp Elisabethgrodendeich. Auf den Deichen viele Schafe zur Deichpflege, aber auch einmal Kühe, denn aufgrund alter Verträge ist dies noch erlaubt wie auch das Mähen im Deichvorland. Das als Deichvorland bezeichnete Gebiet zwischen Deich und Wattenmeer mindert bei Sturmflut die auflaufende Wellenkraft und sollte mindestens 200 bis 400m breit sein. Lahnungen, zwei mit Buschwerk und Schüttsteinen verfüllte Pfahlreihen, schützen das Vorland und Ablagerungen von Schwebstoffen fördern seine Neubildung. Eine zweite Deichlinie zwischen Hooksiel und Horumersiel hat das Ziel, zwischen beiden Deichlinien einen Speicherpolder zu haben. Das Schöpfwerk Wangerland ist für die Entwässerung dieser Gegend zuständig. Auf unserer Fahrt haben wir auch noch dritte und ältere Deichlinien gesehen, die früher abgetragen wurden, aber heute als Bodendenkmäler bleiben müssen. Eine sehr wichtige Aufgabe des Deichbandes ist die Sauberhaltung des Deiches, damit die Grasnarbe nicht beschädigt wird. Besonders nach Sturmfluten gibt es große Mengen an Teek (abgestorbene Pflanzenreste aus dem Deichvorland) und anderem Treibgut, leider auch viele Kunststoffabfälle. All dies wird auf einem Platz zusammengefahren und dann von Hand durchsortiert. Die reinen Pflanzenreste werden gehächselt und dann ins Vorland zurückgeblasen. Das Küstenschutz-Camp Elisabethgrodendeich ist eine Informationseinrichtung zum Küstenschutz mit einem 10m hohen Aussichtshügel, der höchste Erhebung des Wangerlandes und der einen weiten Blick über den Elisabethgroden und das Wattenmeer bis hin zur Insel Wangerooge ermöglicht. Auf dem Hügel steht die Betonskulptur „Woge retour“ der Künstlerin Uta Grams aus Bassens, die den Sinn des Küstenschützes symbolisiert: Die Deiche an der Küste sollen die Wellen der Nordsee zurückwerfen. Nach einer Pause bei Kaffee, Tee und Torte wurde noch das Wangermeer angefahren, aus dem 1 Million Kubikmeter Klei für den Elisabethgrodendeich gewonnen wurden. Klei als mindestens 1,5m dicke Deckschicht über dem Sandkern des Deiches ist unentbehrlich. Untersuchungen haben ergeben, dass der größte Deichschädling, der Maulwurf, maximal sich 1,05m tief eingräbt und dann bei dieser Kleidicke den Sandkern nicht erreicht. Mit sehr vielen Eindrücken kehrten wir pünktlich von einer sehr schönen und dank Herrn Schrievers sehr informativen Fahrt zurück.
In der Galerie befinden sich einige Impressionen, die uns Jürgen Niemann zur Verfügung gestellt hat.