Kindheitserinnerung

Beim Lesen der Gedächtnisrede von Hans-Wilhelm Grahlmann kamen
Erinnerungen aus meiner Kindheit hoch:
Wenn immer es möglich war, versuchte ich in der Dorfschmiede meines
Vaters zu helfen. Auch an Samstagen wurde bis spät in den Abend
gearbeitet. Im Sommer gegen 17 Uhr war es Tradition für meinen Vater,
„Gert Längerich“ wie er Pastor Aden wegen seiner Körpergröße
scherzhaft nannte, immer per Handschlag zu begrüßen. Die beiden
duzten sich und nach ein paar Worten setzte Pastor Aden seinen Weg
nach Dykhausen fort. Jedoch einmal gab es eine Verzögerung. Mein
Vater hatte gerade eine Reparatur gemacht, bei der er seine Hände so
richtig schmutzig mit altem Schmierfett hatte. Pastor Aden kam straks
auf meinen Vater zu, streckte ihm wie immer die Hand entgegen und für
ihn war es eine Selbstverständlichkeit, ihm seine schmutzige Hand zu
reichen. Die Freude beim Pastor war nicht groß, als er seine schmierige
Hand sah. Er griff spontan zu einem in der Nähe liegenden Putzlappen,
der jedoch auch schmierig war und alles noch verschlimmerte. Ein
schnell herbeigeholter sauberer Putzlappen schaffte jedoch Abhilfe und
nach einem beiderseitigen herzhaften Lachen konnte Pastor Aden
seinen Weg fortsetzen.
Was ich leider nur vom Hörensagen weiß, weil ich in der Zeit zur Schule
gewesen sein muss, ist das Armdrücken mit dem Pastor und meinem
Vater über dem Schmiedeamboss. Einige Bauern erzählten, wie spaßig
es gewesen sei, als Pastor Aden auf dem Amboss lag.
Solche Begebenheiten wären heute undenkbar.

Gedächtnisrede von Hans Wilhelm Grahlmann auf unseren Vater

(Der Text stammt aus dem Archiv von Prof.Dr.Menno Aden)

Am 16. November 1989 starb Pfarrer i. R. Gerhard Aden aus Rastede im 83. Lebensjahr. Wenn Pastor Aden auch schon vor 27 Jahren Schortens verlassen hat, so ist es doch angebracht, einen kleinen Rückblick zu halten über das Wirken dieser außerordentlichen und profilierten Persönlichkeit während seiner Amtstätigkeit in Schortens.
Schon einmal, vom Mai 1934 bis März 1935 war Pastor Aden als junger Vakanzprediger in Schortens.
Nach dem Kriege, am 15. April 1947, wurde Aden als Pastor nach Schortens berufen. Hier hat er 15 Jahre als Prediger, Seelsorger und Organisator für die große Gemeinde segensreich gewirkt.
Pastor Aden war ein tüchtiger Kanzelredner, der nach dem Bibelwort Jesaja 58,1: Rufe getrost, schone nicht, erhebe deine Stimme wie eine Posaune handelte. Diesen Spruch wählte er auch als Aufschrift für einen neuen Kanzelbehang.
Alle Predigten von Pastor Aden waren stichwortartig ausgearbeitet. Am Freitagnachmittag, wenn er, seine Predigt memorierend, gen Silland – Dykhausen spazierte, hieß es: Süh, Pastor is mit Predigt ünnerwegs!
Am Sonntag in der Kirche, nach dem Verlesen des Predigttextes,
verschwand sein Konzept in der Tasche des Talars und mit gewaltiger Stimme verkündete er stets frei das Evangelium.
Als Seelsorger war Pastor Aden einer Gemeinde sehr nahe. Er machte sehr viele
Hausbesuche. Weil er in den ersten Jahren noch kein Auto hatte, sah man im täglich in der großen Gemeinde irgendwo herumlaufen. Seine staatliche Person war nicht zu übersehen. Überall sprach er seine Gemeinde Mitglieder an und scheute sich auch nicht, besonders die Männer zum Kirchgang zu ermuntern mit den Worten: Ick heff hör ok lang nichtmehr in Kark sehn! Die Angesprochenen entschuldigten sich dann wohl: Doch, Herr Pastor, ob Anton Krey sin Beerdigung! Das galt natürlich in seinen Augen nicht.
Das Gemeindeleben war durch den Krieg und die ersten Nachkriegsjahre vollständig zum Erliegen gekommen. Pastor Aden hat zu erst die Bibelstunden und die kirchliche Frauenhilfe wieder eingeführt. 1953 wurde der Posaunenchor gegründet 1954 hielt er zum ersten Mal die plattdeutsche Predigt zum Erntedankfest, wie das heute noch üblich ist 1955 wurde die Männerarbeit aufgebaut. 1956 hielt er für längere Zeit in Feldhausen im Deutschen Brunnen
die Stunde der Kirche ab. Das ins Leben gerufene ländliche Seminar für junge Leute war eine beliebte Einrichtung, die sehr gut besucht wurde und bei vielen Leuten heute noch in guter Erinnerung steht. Groß waren die Aktivitäten die Pastor Aden im Laufe der Jahre für die Kirche organisierte. Schon 1959, ein Jahr nach der Währung, konnte die große Stahlglocke für 33.000 DM (?) aus freiwilligen Spenden angeschafft werden. Auch brachte er es fertig, 1950 zusammen mit der politischen Gemeinde die Friedhofskapelle auf dem neuen Friedhof bauen zu lassen. Die gute Zusammenarbeit hat sich bis heute bewährt. Im August 1953 konnte die neue Kirche in Roffhausen eingeweiht werden, als die erste in der Oldenburgischen Landeskirche. Die St. Stephans Kirche wurde zur 800- Jahrfeier großzügig renoviert. Auf Veranlassung von Pastor Aden wurde von den Kirchengemeinden des Jeverlandes für die Kirche in Roffhausen eine neue Glocke angeschafft. Der Kindergarten in Roffhausen wurde 1957 gebaut und 1959 die große Bronzeglocke für die St. Stephans Kirche
angeschafft. 12.000 DM kamen aus freiwilligen Spenden der Kirchengemeinde zusammen. Das brachte Pastor Abend den Beinamen „Klocken Gert.“ 1960 wurde das Kirchengestühl erneuert und damit sitztbar gemacht.
Am 1. November 1960 feierte Pastor Aden sein 25. Amtsjubiläum. 1961, am 1. August war die Ausschreibung für die Kirche in Heidmühle, deren Richtfest am 21. Dezember stattfand. Die Fertigstellung der Kirche hat Pastor Aden hier nicht mehr erlebt. Seine vielen Aktivitäten während seiner Amtszeit in Schortens wurden von ihm mit großem Elan durchgeführt. Fast alles, was er in die Wege leitete, gelang ihm. Nur die Ortsdurchfahrt durch die Kirchstraße, die er nicht wollte, konnte er nicht verhindern. Als Pastor Aden mit seiner Familie am 3.
Oktober 1962 Schortens verließ, um nach Rastede zu ziehen, war am Sonntag vorher eine große Verabschiedung in der Kirche gewesen. Durch seinen Protest gegen die Ortsdurchfahrt konnte den ganzen Winter über das Straßenstück zwischen der Pastorei und Kirchhof nicht fertig gestellt werden. Eine Ampel, die die schmale Durchfahrt regelte, wurde scherzhaft „Pastor Aden – Gedächtnis Ampel“ genannt.
Wer je mit Pastor Aden zusammen kam, wurde vielseitig angeregt. Geistlich stand er unerschrocken auf dem Boden des Luthertums. Doppelpunkt. Eine aufrechte, altpreußische Art zeichnete ihn aus. 1952 hat er sich maßgeblich als Synodaler an der Bischofswahl beteiligt. Weltlich nahm er es mit jedem auf. Mit seiner Überzeugungskraft verstand es, sich durchzusetzen.
Die Kraft zu seinem Handeln schöpfte er auf seiner starken Bindung zu seiner Heimat
Ostfriesland und seinem Elternhaus in Stiekelkamperfehn.

Beiern – Ein alter Brauch in Schortens

An Heiligabend – vor dem letzten Nachmittagsgottesdienst – und an Silvester vor dem Gottesdienst findet das traditionelle Beiern mit den drei Glocken der St. Stephanus-Kirche statt.
Der Ursprung des Wortes „Beiern“ liegt im Alt-Französischen „baier“, was „bellen“ oder „anschlagen“ bedeutet. Bei feststehender Glocke wird der Klöppel in einem bestimmten Rhythmus erst vorsichtig und dann immer kräftiger gegen die Glocke gezogen, endend mit einem kräftigen Doppelschlag. Mit dem Beiern wird zeitlich versetzt begonnen, damit eine Glocke leicht, die nächste mittelstark und die dritte stark angeschlagen wird, sodass sich ein Glockengesang ergibt. Das Beiern findet im Wechsel mit dem normalen Läuten statt. Da der Klöppel der Südglocke 95 kg schwer ist, freut sich der Beierer, wenn nach ungefähr acht Minuten für ihn durch das Läuten eine Erholungspause entsteht. Das Beiern hat in Schortens eine lange Tradition. Jugendliche übten diesen Brauch aus und sammelten im Dorf ein Traktament, wie mir Hans-Wilhelm Grahlmann erzählte. Auf die Frage, was ein Traktament sei, antwortete er auf seine Art: Wat to freten un wat to supen, also etwas zu essen und was zu trinken. Da die Jugendlichen das Trinken übertrieben haben, beschloss der Kirchenrat 1862, dass dieser Brauch von Kirchenbediensteten und Nachbarn ausgeübt werden sollte. Bis in die achtziger Jahre wurde auch noch am 1. Weihnachtstag von 7.30 bis 8 Uhr für die in der Nachbarschaft im Stall tätigen Bauern gebeiert. Da es aber immer weniger Bauern gab, wurde dies auf Wunsch der Nachbarn eingestellt.

Hannes Dieken, Hans-Wilhelm Grahlmann, Reinhold Förster und Benno Peters waren die ersten Beierleute, nachdem H.-W. Grahlmann den Brauch nach der Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg wiederbelebt hatte
Heinz Asche, Johannes Peters, Paul Lindloge, Gemeindedirektor Meins, Karl Hinrichs, Hans-Wilhelm Grahlmann, Bürgermeister Harms Silvester 1981

Ein schöner Brauch ist, dass zu Silvester Vertreter der politischen Gemeinde den Beierleuten eine Flasche „Glockenschmeer“ bringen. Die Beierleute mit den Ehefrauen treffen sich dann im Laufe des nächsten Jahres zu einem gemütlichen Beisammensein. Nach dem Tode meines Vaters Benno Peters 1973 fragte mich H.-W. Grahlmann, ob ich seine Südglocke mit dem 95 kg schweren Köppel übernehmen würde. Ich sagte zu, musste aber nach dem ersten Beiern feststellen, dass ich nicht so kräftig wie mein Vater war und besorgte mir mit Paul Lindloge einen Partner, mit dem ich mich abwechseln konnte.

Seit vielen Jahren sind dies die aktuellen Beierleute:
Hermann Reck, Manfred Onken (Südglocke), Horst Janßen (Westglocke), Johannes Peters, Hilko Peters (Südglocke)

Hilko Peters ist die 6. Generation der Familie, die beiert.
Durch den krankheitsbedingten Ausfall eines Beierers hat sich letztes Jahr Rolf Busker freundlicherweise bereiterklärt, mitzubeiern und gehört nun auch zum Team.