Von Gott begleitet – Aufsätze zu Religion und Theologie

von Menno Aden

Veröffentlicht zum Reformationstag 2025

35. Klöppeln bzw. Beiern – ein heidnischer Brauch?
Der Jahreswechsel in Schortens wurde immer mit einem Gottesdienst
begangen, in welchem mein Vater so wie es wohl auch noch heute üblich ist, die im vergangenen Jahre Verstorbenen namentlich von der Kanzel erwähnte. Ich fand diese Gottesdienste besonders feierlich. Wenn es dann gegen Mitternacht ging, erklang das Beiern von Kirchturm. Damals schlug Schmied Peters den Glockenklöppel. Seit 50 Jahren tut es sein Sohn Johannes Peters. Das Beiern, es
fand nur am Altjahrsabend statt, hat mich immer zutiefst berührt. Im Rundfunk wurden zum Jahreswechsel das Geläut des Kölner Doms oder auch von der
Gedächtniskirche Berlin übertragen. Das war auch feierlich. Aber das Beiern, das rhythmische Klopfen und Schlagen an die Glocke, dass wie das Pochen des Herzens an die Vergänglichkeit alles Menschlichen erinnerte, hat mich so berührt, dass ich es bis heute vermisse. Ich glaube, es noch heute zuhören, wenn das Glockengeläut meiner hiesigen Kirche zum Jahreswechsel ertönt. Ich
vermisse das Beiern. Wenn ich meinen Kindern und jetzt auch Enkeln davon
erzählen will, muss ich erst einmal erklären, was dieses Wort überhaupt bedeutet. Es wird ja, soweit ich sehe, in keinem anderen Zusammenhang gebraucht als mit dem von Menschenhand verursachten Schlagen des Klöppels an die Glocke der alten Kirche zu Schortens zu Mitternacht am Altjahrsabend.
Beiern ist ein vielleicht uralter heidnischer Brauch. Den Jahreswechsel zu begehen, ist auch ein heidnischer Brauch. Vieles, was wir als christlich übernommen haben, ist ursprünglich heidnisch. Auch das Weihnachtsfest. Das höchste Fest der Christenheit Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu wird nicht im Herbst oder Winter begangen, sondern im Frühling. wenn die scheinbar abgestorbene Natur zu neuem Leben ersteht, die alte Kirche legte den
Auferstehungstag auf den ersten Sonntag nach Frühlingsvollmond. Genau
genommen, ist daher sogar Ostern eigentlich ein heidnisches Fest. Aber was meinen wir denn mit heidnisch? In Psalm 149 heißt es: Singet dem Herrn ein neues Lied; Sie sollen loben seinen Namen … mit Pauken und Harfen. Psalm
150., dem allerletzten, sagt es noch einmal: lobet ihn mit Pauken. Paukenschlagen und laute Töne galten dem Gotteslob. Das ist dasselbe, was beim Beiern geschieht. Das Wort beiern kommt offenbar nur bei uns in Friesland vor. Seine Herkunft ist unklar. Es könnte mit Boje zusammenhängen, dem erstmals im Niederdeutschen belegten Wort für ein schwimmendes
Signalzeichen auf See. Beiern wäre dann wie ein Signal für die schwankende, verschwimmende Zeit. Ich glaube, dass beiern mit dem russischen Wort бить – bitj = schlagen zusammenhängt, woraus das Wort бой /boj = der Schlag abgeleitet wird. Das Wort beiern würde uns dann an die Urverwandtschaft der indo – germanischen Sprachen und ihrer Völker erinnern. Wer will, kann
diesen Gedanken dann noch viel weiter ausspinnen: Wir in Schortens sind
fast die einzigen die das unwichtige Wort beiern kennen, und dennoch es verbindet uns mit einer größeren Gemeinschaft verwandter, zumeist christlicher Völker, die sich am Jahresende unter Gottes Frieden stellen.

Güstkinnelbeerfeier am 20. September 2025

Die diesjährige Feier fand in kleiner gemütlicher Runde in der
Gaststätte „In`t Dörp“ statt.

Bild: Jürgen Niemann

Der Plattdeutschbeauftragte des Landkreises Hermann Wilken und die neue Beauftragte für den Südkreis Beate Ramm waren zu Gast.
Johannes Peters erklärte zu Beginn, warum die Feier Güstkinnel heißt. Nach Gründung des Vereins wurde 1931 wieder ein Wolfsgalgen aufgestellt und es sollte eine Feier mit Branntwein und Rosinen, dem Kinnelbeer geben. Da dieses Getränk üblicherweise nur nach der Geburt eines Kindes ausgeschenkt wird, nannte man es in Anlehnung an die güste, trocken stehende Kuh nun Güstkinnelbeer.
Diese Feier wurde noch bis vor fünf Jahren mit viel Kinnelbeer nach der Freigabe einer Jury für das vom Wirt zubereitete Getränk begangen. Doch als das Interesse an Kinnelbeer abnahm und der Wirt Energiekosten nehmen musste, wenn nur etwas zu trinken bestellt wird, haben wir uns entschlossen, ein friesisches Essen anzubieten. Diesmal gab es Steckrübeneintopf mit Wurst, Kassler und Speck.

Gudrun Lengen und Karin Hielscher wurden für 25-jährige Mitgliedschaft geehrt. Da sie nicht anwesend sein konnten, wird die Urkunde mit einer kleinen Aufmerksamkeit zu Hause überreicht.
Hermann Wilken berichtete von den Schwierigkeiten mit dem Plattdeutschen im Landkreis Friesland. Die Schulen haben keine Zeit mehr mit den Schülern Beiträge für die Plattdeutsche Woche vorzubereiten und auch das Interesse der Bevölkerung nimmt ab.
Erst nach 2 Jahren konnte mit Beate Ramm eine Plattdeutschbeauftragte für den Südkreis gefunden werden. Ganz anders ist die Situation in Ostfriesland. Da hat sogar jede Kommune einen Plattdeutschbeauftragten und die Beteiligung der Bevölkerung ist groß. In den Schulen soll bald Plattdeutsch als Unterrichtsfach eingeführt werden.

Beate Ramm stellte sich vor. Sie sei auch sonst noch ehrenamtlich engagiert, wollte sich aber als gebürtige Ostfriesin um das Plattdeutsche kümmern. Sie hatte mit Ximena Chacon Leeper eine jetzt in Colorado (USA) lebende gebürtige Chilenin mitgebracht, die für eine Woche ihr Gast ist. Es gibt eine Initiative, die ausländische Besucher an deutsche Gastfamilien für die Dauer einer Woche
vermittelt. Frau Leeper war sehr angetan von unserer Feier.

Bild: Jürgen Niemann

Meike Baumann trug plattdeutsche Geschichten auswendig in Gedichtform vor. Es gab auch Beiträge von Hermann Wilken, Johannes Peters und Rudi Rabe.