Güstkinnelbeer

Der Heimatverein Schortens und das „Güstkinnelbeer“

Von vielen, der plattdeutschen Sprache nicht mächtigen Einwohnern wird oft gefragt, was es mit dem „Güstkinnelbeer“ denn nun auf sich hat. Es scheint daher angebracht, hier einmal aufklärend tätig zu werden. Das „Güstkinnelbeer“ ist ein alter über die Grenzen Frieslands hinausgehender Brauch, der vom Heimatverein im Jahr 1931 neu belebt wurde.

Das „Güstkinnelbeer“ wird in friesischen Gebieten von vielen Vereinen aber auch Familien gefeiert. Schon seit längst vergangener Zeit kamen nach der Geburt eines Kindes Verwandte und Nachbarn zum „Kindbekieken“ oder „up Puppvisit“ und natürlich wurde bei dieser Gelegenheit den Besuchern auch ein Getränk angeboten – das „Kinnelbeer“. Stellte sich nun bei einzelnen Paaren auch nach mehrjähriger Ehe kein Kind ein so wurde in der rauen Art der Friesen, wie bei den trocken stehenden Kühen, das „Güstkinnelbeer“ gefeiert. (Güst = trocken siehe auch Geest)

Ein uns leider nicht bekannter Schreiber hinterließ uns unter dem Titel „Liebe zur Heimat“ nachstehendes Gedicht von „Dudde Amman Engelbarths“ aus Feldhausen. Dieses Gedicht aus den Jahren 1876/77 soll für Herrn Bock, den Gründer des Heimatvereins, Anlass zur alljährlichen Wiederaufnahme der Traditionsveranstaltung gewesen sein.

Das Gedicht entstand in einer Zeit bedeutender Umbrüche in der Gemeinde Schortens.

  • In den Anfängen der 1840er Jahre wurde die Straße Sande – Jever besteint wie man damals sagte, also gepflastert und damit eine bessere Verkehrsanbindung geschaffen
  • 1871 wurde die Eisenbahnlinie Sande – Jever eröffnet. Der heutige OrtsteilHeidmühle gehörte noch zu Feldhausen. Die Bauernschaft Heidmühle wurde erst 1906 gegründet. Erster Bezirksvorsteher für Heidmühle wurde damals der Landwirt Heinrich Asche zu Feldhausen
  • 1878 wurde das Wasserwerk Feldhausen eröffnet

Die Menschen waren stolz auf diese Errungenschaften und auch das Selbstbewusstsein der Geestbewohner gegenüber den reichen Marschbauern wuchs wie nachstehende Zeilen deutlich beweisen.

Liebe zur Heimat

Verächtlich blickte lange schon so mancher stolze Marschlandssohn auf unsere schwarzen Auen! Auch dünkt`s ihm drin nicht angenehm, wenn wir aus Wallholz, Stroh und Lehm ein simples Haus uns bauen.

Doch wir sind auch recht wohlgemut! Wir haben recht gesundes Blut! Wir sind stets froh und heiter. Wer jetzt bei uns kein Rindfleisch hat, isst auch an Speck und Brot sich satt und Gott sorgt für ihn weiter.

Was uns hier fehlt das ist der Kot 1), von Roggenmehl wir backen Brot, wir haben Holz zum Heizen. Wir haben selbst den Speck zum Kohl, Pfannkuchen ißt ein jeder wohl von unserm schwarzen Weizen.

Was unser Urgroßvater tat das scheint für uns auch noch probat, das Jagdgehn und das Fischen. Gebratne Hechte oder Aal, das ist wohl ein beliebtes Mahl dem Freund dem wir´s auftischen.

Man hört in warmer Sommerzeit in unserm Felde weit und breit, die fleiß`gen Bienen summen, es schallt Gesang von Baum und Strauch, gewiß wird doch die Möwe auch vor der Nachtigall verstummen.

Der Marschbauer holt von unserm Land, sich Heide, Plaggen, Holz und Sand, auch Torf von unserm Moore und unser Wasser rein und hell fließt bald nach Wilhelmshaven schnell, durch fest verbundene Rohre.

Wer früher nie den Weg so nahm, dass er durch unsere Gegend kam, der wird jetzt anmarschieren. Durch unsern Ort ist viel Verkehr und täglich sieht man hin und her, Leut und Fuhrwerk passieren.

Die Wasserleitung die gebaut wird oft neugierig angeschaut, von Männern und von Frauen. So mancher der von Wundern träumt, das ist gewiß, dass der sich freut, das Kunstwerk zu beschauen.

Das Bollwerk das man dort anschaut ist stark und eisenfest gebaut zur Stütze der Maschinen, bracht tief man in die Erd hinein das Fundament von Holz und Stein, die Bummelramm mußt dienen.

Auf einer dicken starken Wand da steh´n die Drachen aufgebaut in eisernem Geschirre. An neunzig Fuß der Schornstein misst, der auch ein wenig schief wohl ist, wenn ich darin nicht irre.

Dann steht mit flachem Schieferdach, mit Zimmern, Keller, Schlafgemach ein Wohnhaus noch daneben. All ist so nobel und so nett und auch mit hölzernem Staket der ganze Raum umgeben.

Ob uns im Heidfeld vieles fehlt was man zu großen Reichtum zählt so sind wir doch zufrieden. Was in der Marsch ein reicher Mann für vieles Geld nicht kaufen kann, ist uns umsonst beschieden.

Wenn in der Marsch so mancher krankt, bald sitzt, bald liegt, bald schleicht und wankt, am gelben Fieber leidet – schmerzt uns kein Glied das ganze Jahr, wir werden oftmals wohl sogar, von jenen noch beneidet.

Wenn stark die Schweinesucht grassiert, manch Grunztier in der Marsch krepiert, wir bleiben meist verschont. Verfaulen die Kartoffeln dort, ist´s doch nicht so in unserm Ort, bloß weniger es lohnt.

Wenn Sturm und Wetter toben sehr und an den Deich das wilde Meer peitsch manche harte Welle – obgleich auch uns dann banget gar, es ist doch immer die Gefahr vor unserer Haustür Schwelle.

Hier ist kein Kot bei Wintertag wenn´s längere Zeit auch regnen mag, bleibt doch der Gehweg eben. Wenn eine Reise wird getan, da heben wir die Eisenbahn und die Chaussee daneben.

Theater, Opern und Konzert das ist uns nicht der Mühe wert – wir leben recht gemütlich. Ein frohes Festchen feiern wir, wir nennen´s wohl Güstkinnelbier und tun uns dann recht gütlich.

Wenn früh im Morgendämmerschein ein Schwein vom Leben wir befrei´n mit hart geschliffner Klinge – dann geh´n wir Nachbarn Hand in Hand, ein Schweinbier wird’s bei uns genannt und sind recht guter Dinge.

Das Festmahl was man dann sich nimmt, das offenbar im Fette schwimmt, bringt uns kein Wechselfieber. Der Wein ist nicht für unseren Mund, wir glauben er ist nicht gesund wir trinken Branntwein lieber.

Bei uns ist Luft und Wasser rein und wo wird’s wohl gesünder sein als auf dem hohen Lande? Was kümmert uns der fette Klei, wir leben lustig froh und frei in unserm Heimatlande!

1) Kot- gemeint ist aufgeweichter Kleiboden

Rezept:

Der Branntwein wird frühzeitig vor dem erwarteten Geburtstermin mit den Zutaten Kandis und Rosinen angesetzt.
Das Getränk verbraucht sich oft sehr schnell, nicht selten schon vor Eintritt des freudigen Ereignisses und es ist ratsam, früh genug anzufangen, damit ein zweiter Ansatz noch Zeit zum Reifen hat.
Gereicht wird das Getränk in kleinen Tassen als „Köppken“ oder auch auf einem Zinnlöffel auch als „Branntwien un Rosinen“ oder „Bohnensopp“ bekannt.

Alfred Amman

Alfred Amman

Schortens, 20.04.2010

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