In der Geschichte des 19. Jahrhundert kommt man nicht umhin, sich mit der Auswanderung, speziell nach Übersee, zu beschäftigen. Mit Zunahme der landwirtschaftlichen Hilfsmittel zunächst noch mit Pferden, später mit Motoren betriebenen Maschinen fielen für den Heuerling bestimmte Winterarbeiten als zusätzlicher Erwerb fort. Stärker als in unserer unmittelbaren Umgebung war das im südlichen Oldenburger Land spürbar. Das Leinenwebergewerbe verfiel und brachte den Heuerling um seinen bitter benötigten Nebenverdienst, der bei den damaligen Verhältnissen nicht zu finden war. Auch die Hollandgängerei war in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stark rückläufig. Als Folge wurde eine deutliche landwirtschaftliche Überbevölkerung sichtbar. Auch die schon im 17. Jahrhundert einsetzende Moorkultivierung brachte keine spürbare Entlastung. Es kam zu einer Auswanderungsbewegung nach Übersee, die den Bevölkerungsdruck fühlbar verringerte. Den Ablauf solcher Entscheidungen können wir entweder eventuell vorliegenden Berichten oder aber aus Anzeigen im Jeverschen Wochenblatt verfolgen. Im März 1850 erschien zum Beispiel folgende Anzeige:
Sicher wurden viele Gespräche mit Nachbarn, Freunden oder Verwandten geführt auf der Suche nach einem Ausweg aus der wirtschaftlichen Situation. Zeitungsanzeigen und Agenten die in vielen Orten zu finden waren rückten die Möglichkeit sein Glück in der die Auswanderung zu suchen aber in greifbare Nähe. Wurde die Ausreise dann ernsthaft erwogen, suchte man sich aus den reichlichen Angeboten vermutlich die richtige Reederei nach Preis, Reisezeit und Termin aus. Die Finanzierung er- folgte wohl in der Mehrzahl aller Fälle durch Verkauf von Eigentum wie Möbeln oder Häusern. Auf folgenden Seiten einige Anzeigen aus dem Jeverschen Wochenblatt die praktisch die Geschichte der Auswanderer erzählen.
Das nächste was man dann von den Auswanderungswilligen hörte konnte man einer Reihe von Anzeigen entnehmen, wie sie damals fast täglich zu lesen waren.
Sicher war es nicht einfach in dieser schwierigen Situation den gewünschten Preis zu erzielen..
Häufig reichte der Erlös kaum für die Überfahrt und ein kümmerliches Handgeld, um die erste Zeit in Amerika zu überbrücken. Was kostete um 1850 eine Überfahrt nach Amerika?
Es gab typische Gegenden in den Vereinigten Staaten wo sich die Deutschen ansiedelten denn natürlich hatte man sich vorher bei Bekannten oder Verwandten eingehend erkundigt, wo die schon Ausgewanderten verblieben waren.
Der Heimatverein Schortens besuchte vor einigen Jahren eine Gruppe ehemaliger Auswanderer die die alte Heimat, Ostfriesland, besuchten. Keiner von denen sprach mehr hochdeutsch wohl aber ein gut verständliches Plattdeutsch.
Hatte man alle Schwierigkeiten überwunden, setzte den meisten doch beim Einschiffen in Bremen oder Bremerhaven der Abschiedsschmerz ein. Anders als heute, wo man in wenigen Stunden in modernen Verkehrmaschinen den Atlantik überquert, war vielen der Auswanderer bewusst, dass sie die Heimat kaum wieder sehen würden. So erschienen vielfach noch Anzeigen im Jeverschen Wochenblatt, die dies verdeutlichen.
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Nicht alle Anzeigen klingen so unbeschwert wie die Anzeige der Familie Folkers. Man glaubt,
aus den wenigen Zeilen die Zuversicht auf ein neues unbeschwertes Leben zu verspüren.
Anders klingt dagegen der Abschied von sieben Familien aus dem jeverschen Raum. Da ist zu lesen:
„ … wenn auch nicht besser, doch gewiß nicht schlimmer“.
Wir müssen mit den Informationen umgehen, die überliefert wurden. Tragisch klingt ein Bericht, von dem das Jeversche Wochenblatt im März 1868 berichtet. Dort heißt es:
Von befreundeter Seite erhalten wir im Nachstehenden einen Auszug aus einem Cincinati dd. Schreiben. Das Mitgetheilte ist von allgemeinem Interesse und lautet folgendermaßen:
„Theurer Freund! Rathe Allen in Deutschland, von denen Du weißt, daß sie nach Amerika auswandern wollen, nicht hierher auszuwandern. Denn sie finden hier nichts als überall Jammern und Wehe. Ich habe seit sieben Jahren Nordamerika durchreist, aber noch nie eine solche Arbeitslosigkeit, ich möchte sagen Brodarmut unter den Gewerbe- und Arbeiterstand gefunden, als jetzt. Tausende lassen hier fast ihre gesamte und Gut im Stich (da sie es für Geld nicht loswerden können) und wandern nach Südamerika. Ich bin hier bei meinem Onkel gut aufgehoben; wenn ich dies nicht wäre, ging ich nach Deutschland retour.“
Aus allem, was ich bei meinen Nachforschungen erkennen konnte, kann ich aus heutiger Sicht sagen, Amerika war für Zugewanderte ein hartes Pflaster. Ostfriesen die es schafften in die Siedlungsgebiete deutscher Zuwanderer zu kommen, wurden von der Gemeinschaft aufgefangen und bei den ersten Schritten begleitet. Anders in den Großstädten und auf sich allein gestellt. Da war man sicher schnell den harten Lebensbedingungen ausgesetzt und ohne Sprachkenntnis hilflos. Abschließend einige Aufnahmen, die ich bei einem Besuch in Kanada festhalten konnte:
Der liberale Staat Kanada war bis Juli sehr interessiert, Einwanderer im Landesinnern anzusiedeln. Bis zu diesem Zeitpunkt übernahm Kanada aus einem Staatsfonds für mittellose Einwanderer die Kosten für die Weiterfahrt mit der Eisenbahn. Nach diesem Zeitpunkt musste jeder selber für den Weitertransport sorgen.
Deutsche Einwanderer in Kanada um 1890
Nach Eintreffen im Land musste zunächst die Einwanderungsbehörde passiert werden.
Eine Schiffsladung mit Menschen die 1890 mit dem Zug ihre Reise in Landesinnere antreten wollen Hoffnungsvoll traten die Menschen die Reise an. Viele erlebten wahre Tragödien. Ich habe in Kanada viele Gräber deutscher Familien gesehen, in denen zwei oder drei Kinder einer Familie bestattet waren. Viele hatten aber auch Glück. Sie fanden im fremden Land Arbeit oder konnten sich ansiedeln. Die Kindeskinder dieser ehemaligen Auswanderer besuchen heute oft die Heimat ihrer Ur- oder Großeltern um etwas über die damaligen Lebensumstände zu erfahren.
Alfred Amman
Im Januar 2011