AEG Olvmpia Das Ende des verlustreichen Schreibmaschinenherstellers ist kaum noch abzuwenden. Nur ein Technologiepark könnte die meisten Arbeitsplätze retten
Von Frank Thomsen Quelle
Ein Werk im Ausnahmezustand: Zwischen modernen Fertigungsstraßen und Endmontagegeräten der AEG Olympia hängt schwarzer Trauerflor. An den Wänden der langen Hallen prangen Sprüche gegen den Chef von Daimler Benz, zu dessen Konzern auch Olympia gehört: „Edzard Reuter — der skrupelloseste Plattmacher Deutschlands“. Die Stimmung in der Belegschaft ist düster „Die lassen uns hier kalt verrecken“, meint einer, die anderen nicken. Hinter ihnen verkünden Transparente, worum es geht: „AEG Olympia — Das Herz der Region muß weiterleben!“
Bei dem einstmals bedeutendsten Schreibmaschinenhersteller der Republik, der in ehemaligen Marinegerätelagern vor den Toren Wilhelmshavens untergebracht ist, gehört diese Mischung aus Wut und Trotz seit Monaten zum Alltag. Für die Beschäftigten geht es um alles. Seit Anfang Dezember vergangenen Jahres, als der AEG Vorstand den endgültigen Ausstieg aus der seit einem Jahrzehnt defizitären Bürokommunikation zum Ende des Jahres 1992 erklärte, rätseln 2500 Olympianer, wie es mit ihnen weitergehen soll. Ihre einfallsreichen Protestaktionen sorgten vor allem Ende des vergangenen Jahres zwar für bundesweites Aufsehen. Aber außer wohlformulierten Versprechungen haben der AEG Vorstand und der Mutterkonzern Daimler Benz bisher keine Perspektive geboten. Sobald es um das OlympiaWerk in Roffhausen bei Wilhelmshaven geht, handeln die Verantwortlichen nach dem Prinzip des Management by trial and error.
Versuch und Irrtum — dilettantische Führungsentscheidungen sind bei AEG Olympia schon traurige Tradition. In den siebziger Jahren standen noch 13 000 Olympianer auf der Lohnliste, die Bürotechnik war ein einträgliches Geschäft. Doch als AEG den Siegeszug des Computers verschlief, war das Todesurteil für das Werk bei Wilhelmshaven gefällt. Mehrere Reorganisationen, eine Bestandsgarantie des damaligen Vorstandschefs Heinz Dürr und viele schöne Worte änderten an den Zahlen nichts: Die Bürokommunikation war ein Verlustgeschäft mit bis zu 200 Millionen Mark Miesen pro Jahr. Als der AEGVorstand nach der Übernahme der AEG durch Daimler Benz aufgeschreckt wurde, war es bereits zu spät: Mit Schreibmaschinen war kein Geld mehr zu machen. Im vergangenen Jahr scheiterte selbst der Versuch, das gesamte Werk zu verramschen. Seither lautet die Devise bei der DaimlerTochter: Verlagerung der Produktion nach Mexiko, Ausstieg in Wilhelmshaven sofort. Konzepte für eine Anschlußbeschäftigung der verbliebenen 2500 Olympianer liegen bis heute nicht vor. Für die strukturschwache Region Friesland und Deutschlands ärmste Kommune Wilhelmshaven kommt die Unternehmenspolitik des Weltkonzerns einer Katastrophe gleich. Zwölf Prozent Arbeitslose gibt es hier schon heute. Schließen sich auch noch die Tore beim größten Arbeitgeber dieser vergessenen Region im Nordwesten Deutschlands, schnellt die Quote auf über zwanzig Prozent „Das schlägt bis zum letzten TanteEmma Laden durch“, fürchtet Landrat Bernd Theilen.
Um das Schlimmste doch noch von der Region abzuwenden, ziehen die Kommunalpolitiker mit dem Olympia Betriebsrat an einem Strang. Gemeinsam wollen sie möglichst viele Arbeitsplätze am Standort Roffhausen retten. Obwohl die Spitzen von AEG und Daimler Benz dasselbe Ziel auf ihre Fahnen geschrieben haben, besteht nur in einem Punkt Einigkeit zwischen den beiden zerstrittenen Parteien: Die Schreibmaschine hat keine Zukunft mehr „Man hätte frühzeitiger diversifizieren müssen“, beklagt der Betriebsratsvorsitzende Holger Ansmann das Mißmanagement und fordert, daß Daimler Benz seiner Verantwortung für die Region und die Menschen gerecht werden müsse.
Denselben Ansatz verfolgt auch das von lokalen Jungunternehmern vorgelegte Konzept zur langfristigen Sicherung des Produktionsstandortes. Das Szenario von Ekkehard Brysch und Christoph Quante — das sogenannte Brysch Papier — sieht als Kernpunkt den Erhalt der bestehenden Technologiekette von der ersten Schraube bis zur Endmontage mit Ausnahme des Vertriebs vor. Aus dem Werk AEG Olympia soll eine Gesellschaft für industrielle Fertigung hervorgehen, die ihre Diensüeistungen kleinen technologieorientierten Unternehmen anbietet. Dafür müßte die Produktion von Groß- auf Kleinserien umgestellt werden. Eine Projektgesellschaft soll dafür sorgen, daß genug Kleinunternehmer nach Friesland kommen, um die Kapazitäten auszulasten. Als Anreiz dient eine Kapitalbeteiligung an der Industriegesellschaft.
Ausgegoren ist das Jungunternehmer Konzept noch nicht. So ist völlig unklar, wer sich für einen solchen Technologiepark interessieren könnte. Zudem müßte Daimler Benz das Olympiawerk kostenlos in die neue Gesellschaft einbringen und darüber hinaus das Startkapital zur Verfügung stellen „Hier muß der Konzern seiner moralischen Verpflichtung gerecht werden“, fordert Ekkehard Brysch.
Doch die Verantwortlichen im Management schalten auf stur. Obwohl nach dem Brysch Papier angeblich bis zu vier Fünftel der 2500 Arbeitsplätze erhalten werden können, lehnte AEG das Konzept ohne umfassende Prüfung ab. AEGVorstandsmitglied Günther Schad genügte ein „kurzer Einstieg in die Zahlen“, um das Konzept schriftlich als „völlig unpraktikabel und unrealistisch“ zu verwerfen „Welche Zahlen er meint, ist uns rätselhaft“, wundert sich Ekkehard Brysch. „Wir haben nie welche genannt Die Einschätzung des Olympia Geschäftsführers Herbert Kohlmann fällt noch drastischer aus: Die Idee sei „kurios“ und „schlicht irreal“.
uch die vom Betriebsrat massiv geforderte Produktionsverlagerung innerhalb des riesigen Daimler Benz Konzerns nach Wilhelmshaven wurde abgelehnt „Da war keine Bereitschaft vorhanden“, erinnert sich Betriebsratsvorsitzender Holger Ansmann an die internen Diskussionen. Der Hintergrund: Der Standort im Norden paßt nicht in das strategische Konzept des „integrierten Technologiekonzerns“ Daimler Benz; und die AEG benötigt, will sie sich gesundschrumpfen, jeden Pfennig. Deshalb erteilten Daimler Chef Reuter und AEG Kollege Georg Stöckl auch Überlegungen zur Sicherung der Beschäftigung von seilen der niedersächsischen Landesregierung eine Absage.
Die Arroganz der AEG Manager muß wohl als Eingeständnis eigener Schwäche gelten. Denn trotz einer Aufforderung durch den AEG Aufsichtsrat haben sie im vergangenen halben Jahr kein schlüssiges Konzept für die Beschäftigten vorgelegt. Statt dessen zaubert AEG stets Pläne hervor, die sich bei näherer Prüfung als Luftschlösser erweisen.
Während der AEG Aufsichtsratssitzung am 18. Februar präsentierte der Vorstand einen Vorschlag, der 1400 Olympianern den Job sichern sollte „Das war nicht seriös“, weiß Betriebsrat Ansmann inzwischen. So enthält die Zahl etwa ISO Arbeitsplätze bei der Deutschen Airbus, keine zwanzig Kilometer vom Olympia Werk entfernt. Als sich Olympianer um die offerierten Jobs bewarben, kamen prompt Absagen. Kleinlaut gesteht Olympia Geschäftsführer Kohlmann: „Airbus stellt weniger ein als ursprünglich geplant “
Die schlimmste Panne unterlief AEG beim scheinbar sicheren Verkauf der inländischen Vertriebs- und Kundendienstorganisation mit mehreren hundert Arbeitsplätzen. Als Käufer präsentierten die stümperhaften Manager einen vorbestraften Konkursbetrüger. Erst der Betriebsrat entlarvte Jürgen Sievers, der zuvor schon monatelang als Unternehmensberater im Werk tätig war. Seit diesem „Rückschlag“, wie Geschäftsführer Kohlmann seinen größten Fauxpas nennt, ist das Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat endgültig ruiniert Über den neuesten AEG Plan etwa wurde der Betriebsrat bisher nicht mal offiziell informiert. Das Konzept sieht eine Filetierung des Werkes vor. Eine bunte Hochglanzbroschüre wirbt bereits für das — imaginäre —„Technologie Centrum Nordwest“. Stanzerei, Galvanik oder Werkzeugbau sollen zusammen gerade mal zweihundert Olympianern die Beschäftigung sichern. Die Verhandlungen mit Kaufwilligen verliefen „vielversprechend“, so Geschäftsführer Kohlmann.
Die Menschen in der Region glauben solchen Statements längst nicht mehr. Die friesischen Politiker haben das Forschungsinstitut Prognos beauftragt, bis Ende Mai eine Expertise über die Machbarkeit des Brysch Konzepts zu erstellen. Und der Betriebsrat bereitet sich bereits auf die Mitte Juni beginnenden Werksferien vor. Dann, so fürchten viele, könnte AEG die Produktionsanlagen abholen und nach Mexiko verschiffen lassen „Wenn wir aus dem Urlaub kommen“, formuliert einer die Sorgen, „stehen wir ohne Arbeit da Für Olympia Geschäftsführer Kohlmann sind solche Ängste zwar verständlich. Aber: „Da müssen die durch “