SPRACHE Georg Schwitters kämpft für die Pflege und Erhaltung des Niederdeutschen – Fünf Jahre in Griechenland gelebt
Der pensionierte Lehrer hat jüngst bei der Übersetzung der Internetseite des Nordwestkrankenhauses geholfen. Die gibt
es jetzt auch auf Platt.
VON MELISSA-AMÉLIE GIBIS
Jeder Winkel des großen Hauses im Margaretenweg scheint mit einem Buch belegt zu sein: Von Nachschlagewerken über Sach- und Reisebücher bis zu plattdeutschen Romanen und Gedichtbänden. Der Plattdeutschbeauftagte des Landkreises, Georg Schwitters, lebt
mit seiner Frau Elfriede fast wie in einer Bibliothek. Im Schrank mit der plattdeutschen Literatur sind auch Niederländisch-Deutsch Wörterbücher zu finden. „Wenn ich ein Wort im Niederdeutschen nicht weiß, schaue ich bei den Niederländern nach“, erzählt der 70-Jährige.
Seit 1999 vermittelt er seine Begeisterung fürs „Plattdüütsch“ auch an der Volkshochschule. „Viele meiner Schüler können die Sprache eigentlich schon, sind in der Lage sie zu verstehen und zu lesen. Aber sie haben bisher nicht aktiv Platt gesprochen“, erzählt er und schüttelt den Kopf. Das sei das Problem der Sprache, gegen deren Aussterben Schwitters den mühsamen Kampf aufgenommen hat. In den meisten Familien sprächen nur noch die Eltern Platt, mit den Kindern werde Hochdeutsch gesprochen.
Das müsse dringend geändert werden, sagt er. Dabei hat Schwitters selbst in den ersten Jahren seiner Kindheit nur Hochdeutsch gesprochen: „Viele Flüchtlinge lebten in der Nähe meiner Familie. Auch mein bester Freund war ein Flüchtlingskind, da musste ich natürlich Hochdeutsch sprechen.“ Auf dem Schulhof der Volksschule Willen im Landkreis Wittmund fingen dann die Sprachprobleme an: „Die Dorfkinder sprachen natürlich Platt miteinander und ich wollte mit ihnen mitspielen“, sagt er und lächelt. So wurde Platt seine Zweitsprache und doch seine wichtigste Kommunikationsform. Nicht nur deshalb wurde er 2008 zum Beauftragten für die niederdeutsche Sprache im Landkreis gewählt. „Ich versuche den Leuten zu vermitteln, dass wir diese Sprache erhalten und pflegen müssen“, beschreibt er seine Aufgaben.
„In Ostfriesland ist der Dialekt noch stärker verbreitet, aber auch bei uns merkt man, dass man mit Platt schneller an die Menschen heran kommt.“ Es sei immer noch eine wichtige Sprache, vor allem in den kaufmännischen und Pflegeberufen.
Nicht nur deshalb war Schwitters in seinem letzten Projekt maßgeblich an der Übersetzung der Internetseite des Nordwestkrankenhauses in Sande ins Plattdeutsche beteiligt.
Obwohl Schortens nun seit langer Zeit schon sein Zuhause ist, denkt der 70-Jährige noch oft an seine Jahre als Auslandsschullehrer in Griechenland zurück. Gerade jetzt, wo das Land wegen der Euro-Krise immer wieder die Schlagzeilen beherrscht, wandern die Gedanken dorthin.
„Da wundert man sich schon, dass der Staat überhaupt in die EU aufgenommen wurde. Schon damals gingen fast alle Geschäfte am Fiskus vorbei. Das ist dort halt typisch“, sagt er und lacht. Nach den fünf Jahren Hellas kehrte er nach Friesland zurück.
„Ich mag die Landschaft hier, die flachen Ebenen, die Leute.“ Und auch die Schüler mochte der ehemalige Englisch- und Geografielehrer. Zuerst half er am Ausbau der Realschulen Schortens und Sande. Neben dem Schuldienst studierte er für das Lehramt an Gymnasium und unterrichtete fortan an der Kooperativen Gesamtschule Wittmund. Doch auch nach seiner Pensionierung im Jahr 1997 kehrte Schwitters den Schulen nicht den Rücken zu: Ehrenamtlich unterrichtet er an verschiedenen Schortenser Schulen Plattdeutsch. Die Einführungen der Ganztagsschulen ist für ihn ein Glück: „Die Schüler können Plattdeutsch als AG belegen, lernen es so doch noch und verlieren ihre Sprechhemmungen.“ Trotzdem sollten Eltern mit ihren Kindern Zuhause platt sprechen, findet Schwitters. Die Sprache sei ein großer Gewinn, vor allem auch beim Erlernen anderer germanischer Sprachen. „Außerdem geht sonst die friesische Kultur verloren“, sagt er und wirkt tatsächlich wieder etwas kämpferisch.
Quelle: Wilhelmshavener Zeitung vom 06.10.12, Seite 13