Wilhelm Janßen

„Der Schortenser Baumeister“
von Hans-Wilhelm Zeuske

Mein Opa Wilhelm wurde an einem kalten Wintertag, den 24. November 1910 am Diekenweg 8 geboren.
Er war das zweite Kind der Eheleute Martha (geb. Schepker) und Carl Janßen. Seine ältere Schwester hieß Klara, sein jüngerer Bruder Erhard. Das Geburtshaus steht noch heute und liegt im östlichen Bereich der
ehemaligen Schortenser Fischteichwirtschaft vor der Jahrhundertwende. Dort wuchs der kleine Wilhelm auf.
Vater Carl arbeitete auf der Kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven, Mutter Martha kümmerte sich um Haus und Garten für die Selbstversorgung der Familie. Wilhelm hat die Dorfschule in Schortens von 1916 bis 1924 besucht. Acht Regelschuljahre, dann war Schluss.

Anschließend ging es in die Lehre bei Bauunternehmer Heinrich (Hinerk) Janssen in Schoost; und zwar mit Kost und Logie. Neben der fachlichen Ausbildung waren in diesem Betrieb auch gesellschaftliche Verhaltensweisen, wie Ess‐ und Tischkultur Bestandteil des Ausbildungsprogramms, was zu dieser Zeit und in dieser Region bemerkenswert war. Wilhelm erhielt zudem, wie man heute sagen würde eine „Allrounder‐Bau‐Ausbildung“: Maurer, Zimmerer, Tischler, Pflasterer. Der Gesellenbrief wurde 1927 überreicht. Danach ging es auf die „Walz“. Die Berufserfahrung wurde bei verschiedenen Firmen, unter anderem bei der Firma Heinrich Memmen an der Menkestraße, vertieft.
Sport war für Opa Wilhelm ein Ausgleich zur körperlich schweren Arbeit. 1931 wurde er einer der Sieger im Geräteturnen vom Turnverein Ostiem. Im Laufe der Zeit keimte jedoch der Gedanke der Selbständigkeit.
Doch zuerst mussten private Dinge geklärt werden.
Am 12. April 1937 wurde die Verlobung mit Helene Kampen bekanntgegeben. Von Januar bis August 1937 wurde das eigene Haus am Kreuzweg 123 durch Eigenleistung nach Feierabend und am Wochenende errichtet. Die Heirat erfolgte am 28. August 1937 – in Opas 27. Lebensjahr. Dieses Haus mit einem großen nach hinten anschließenden Grundstück sollte, neben der großen Willenskraft des Wilhelm und seiner unermüdlichen Frau Helene (Leni), den Grundstein für die Selbstständigkeit legen.
Am 29. Juli 1939 wurde aber erstmal Töchterchen Annemarie geboren. Doch die Welt verändert sich radikal. Am 1. September 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Die Auswirkungen waren in Schortens noch nicht zu spüren, bis Wilhelm am 20. Februar 1940 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Standort wurde Oldenburg bei einer Artillerieabteilung (2./s.Art.Ers.Art.56) mit Grundausbildung und anschließender
Verwendung in der Schirrmeisterei.
Da der Wilhelm den „Kommissdienst“ im Alter von 30 Jahren nur schwer mit seinem friedlichen Naturell vereinbaren konnte, hat er mit Zustimmung der Vorgesetzten, seinen Maurermeister, quasi in Abendschule, gemacht. Die Meisterurkunde der HWK Oldenburg ist datiert vom 8. Juni 1942. Trotzdem musste Wilhelm, in den Wogen des Krieges, noch zum Ende des Krieges an die Westfront. Dort wurde er schwer verwundet. Nach Lazarettaufenthalt und alliierter Kriegsgefangenschaft kam er wieder zurück zu Frau und Kind. Nach fünf erlebten unnützen Kriegsjahren machte sich Wilhelm Janßen am 1. Mai 1946
selbständig; praktisch nur mit „Kelle und Kübel“.

Im Laufe der Zeit wurde ein Baubetriebshof für den zimmermannsmäßigen Abbund von Dachstühlen, Lagerung von Geräten und Baustoffen sowie einer Tischlerwerkstatt samt Maschinen eingerichtet.
Zunächst gab es aber aktuellere Probleme. Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten erforderten neuen Wohnraum, Gedenkstätten des Krieges als Mahnmal sollten gebaut werden, es musste den Konfessionen der Vertriebenen entsprochen werden, es mussten Kirchen gebaut werden. Diese Herausforderungen hat der Wilhelm angenommen. Zeitweise wohnten auch vertriebene Familienzusammen mit in Opas und Omas Haus. Im Laufe der Zeit entstand das „Baugeschäft Wilhelm Janßen, Schortens i.O.“, welches
mit teilweise 50 Mitarbeitern ganze Straßenzüge (u.a. Königberger‐, Marienburger‐, Danzigerstraße), das Kriegerdenkmal beim Pfarrhaus in Schortens und die Katholische Kirche in Schortens errichtete.
Nach dem Aufbau der Bundeswehr wurde auch der Fliegerhorst in Upjever und die Marine in Wilhelmshaven reaktiviert. Viele Soldaten wurden in den Norden versetzt. Die Olympia‐Werke in Roffhausen schufen tausende von Arbeitsplätze. Alle diese Familien wollten bauen oder mieten. Es wurden nun auch individuelle Wohnhäuser unter planerischer und ausführender Federführung seines Schwiegersohnes Lebrecht Zeuske errichtet.
Mein Opa hat bewegte Zeiten hinter sich gebracht; er war zu keiner Zeit überheblich, sondern sagte zu mir immer: „Ich bin mit dem, was ich erreicht habe, zufrieden“. Als aktives Mitglied des Gemischten Chores Schortens und als dessen 1. Vorsitzender von 1970 bis 1981, prägte er die musikalische „Szene“ in Schortens und darüber hinaus. Urlaubstechnisch war Opa immer zurückhaltend. Am liebsten war er zu Hause ‐ aber einmal im Jahr ging es mit dem Bürgerverein Reepsholt, wo er die Reiseleitung inne hatte, mit dem Bus in den Süden – immer in Richtung Bayern und Österreich. Auch die jahrelange Verbundenheit zum Heimatverein Schortens zeigt seine Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit. 1972 hat Wilhelm offiziell die Fortführung des Unternehmens in die Hände seines schon seit 1957 im Unternehmen tätigen Schwiegersohnes Lebrecht Zeuske und seiner Frau Annemarie übergeben und ist in den wohlverdienten Ruhestand gegangen.
Wilhelm Janßen ist im Jahre 2003 im Alter von 93 Jahren friedlich eingeschlafen. Einen von Opas Sprüchen möchte ich der Leserschaft doch noch mitgeben:
„Schenkt Blumen euch zu Lebenszeit und bewahret einander vor Herzeleid – zu kurz ist die Zeit, wo ihr zusammen seid – auch wenn Jahre euch vereinen, beim Abschied werden sie wie Minuten euch erscheinen.“