Gert Riechelmann

Am 20.02.1935 wurde ich als Sohn des Pfarrers Otto Riechelmann und seiner Frau Annemarie in Aurich/Ostfriesland geboren. In seinem mir vorliegenden Brief schrieb mein Vater damals an seine Schwiegereltern u.a. „…als dann die kleinen Herzschläge weniger wurden, hat Dr. Welge eingegriffen und ihn erst scheintot zur Welt gebracht, dann ihn sehr schnell ins Leben zurück gerufen. Er sagte, nur fünf Minuten und wir hätten den kleinen Mann nicht behalten!“
Nach einem Jahr erfolgte der Umzug nach Schortens bei Jever, wo mein Vater seine endgültige Pfarrstelle bekam. 1941 wurde ich in
Jungfernbusch bei Heidmühle eingeschult. Der Weg zur Schule mußte manches Mal unterbrochen werden, weil der nächst gelegene Bunker wegen Fliegeralarm aufgesucht werden mußte. Auch wir hofften sehnsüchtig, daß unser lieber Vater nach dem schrecklichen Krieg heimkehren würde. Aber es kam anders. Wübbo Büschenfelds lieber Vater mußte uns die traurige Nachricht überbringen, daß unser Vater noch am 20. Mai 1945 auf der Flucht mit 2 Krankenschwestern und 2 Ärzten aus einem Transport in die russische Gefangenschaft bei Budweis in einen Steinbruch tödlich abstürzte. Er konnte im Sterben nur noch sagen: „Ich möchte, daß meine Söhne echte Christen und gute Deutsche bleiben.“ Das ist mein Leitsatz immer geblieben und begleitet mich in meinem höheren Alter ganz entscheidend auf diversen Ebenen. Es schloß sich dann 1946 nach einer Aufnahmeprüfung das Gymnasium in Jever an, von 1949 schließlich die Mittelschule in Wittmund mit Erlangung der Mittleren Reife.
Nach dem Abschluß meiner schulischen Laufbahn fragte mich mein Onkel Gert, „welchen Beruf willst Du denn nun erlernen ?“, meine Antwort nach einer kleinen Denkpause: „Politiker.“ Das verschlug ihm natürlich die Sprache. Ich entschloß mich für die Seefahrt. Die Vorstellung beim damaligen Erbgroßherzog als Schirmherr des Deutschen Schulschiffvereins erleichterte mir im April 1953 den Start der Ausbildungszeit mit der Anmusterung auf dem in Vegesack jetzt liegenden „Schulschiff Deutschland“ für zwei Monate wie vorgeschrieben. Es folgte die Anmusterung auf dem Neubau „Birte Hugo Stinnes“ in Emden. Was aus meiner damaligen Sicht folgte lief ab getreu dem bekannten Sprichwort: „Ausbildungsjahre sind keine Herrenjahre“, aber im wahrsten Sinne des Wortes! Nähere Einzelheiten möchte ich einem mündlichen Einzelgespräch vom Umfang hervorbehalten. Die weitere erforderliche Seefahrtzeit bis zum Besuch der Seefahrtschule in Bremen im Jahre 1958 absolvierte ich bei der gleichen Reederei Hugo Stinnes Transozean Schiffahrt sowohl in der Tramp- wie auch in der Linienfahrt mit Massen- und Stückgütern. Die meisten Schiffe hatten bis 30 Jahre „auf dem Buckel!“ Das Steuermanns Patent A 5 erhielt ich 1959, das Kapitänspatent auf großer Fahrt A 6 im Oktober 1963. Es schloß sich ein Handelsschiffsoffiziers-Lehrgang bei der Bundesmarine an für zwei Monate, danach Fortsetzung der Seefahrtzeit bei der gleichen Reederei, als letztes Dienst bei der Parten-Reederei Meyer in Brake. Um auch das Familienleben besser genießen zu können, beendete ich die Seefahrtzeit 1966 und begann mit der Suche nach einer Berufsmöglichkeit an Land. Verschiedene Wehrübungen bei der Bundesmarine als Reserveoffizier – taktische Nahaufklärung in der Ostsee, Versorgung der U-Boote,usw. – im 4. Versorgungsgeschwader in Wilhelmshaven als Oberleutnant und Kapitänleutnant bis zur krankheitsbedingten Ausmusterung 1980 gehörten ebenfalls zu meiner weiteren beruflichen Tätigkeit. 1966 fand ich zunächst eine Anstellung bei der LZG in Oldenburg, Lager Stau (Disposition Mischfutterauslieferung). Im Februar 1967 erfolgte der Wechsel zur Centralgenossenschaft für Viehverwertung in Hannover (Karteiführung Fuhrpark und Bearbeitung von Schadensfällen). Im Mai 1969 ergab sich die Möglichkeit der Anstellung bei der Seehafenspedition J. Müller in Brake bis April 1977. Am 22.9.1974 starb mein Bruder Jürgen, fünf Jahre später seine Frau. Aus Rationalisierungsgründen mußte ich die letzte Firma verlassen. Daraufhin entschloß ich mich, in den öffentlichen Dienst zu wechseln, denn es ergab sich eine Möglichkeit bei der Gemeinde Edewecht. Es gehörte dazu auch der Besuch der Verwaltungsschule in Oldenburg mit der 1. Angestelltenprüfung. Nach 20 jähriger Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung ging ich 1998 in Pension. Für meine Freizeit hatte ich mir das Segeln mit einem Kajütboot auf dem Zwischenahner Meer ausgesucht. So konnte ich meine Seefahrtzeit im Kleinen fortsetzen. Dieses neben ehrenamtlicher Tätigkeit in der Kirchengemeinde, u.a. Mitwirkung im Kirchenrat, AOK Dienst in unserer Kirche und einige handwerkliche Hobbies vervollständigten mein Landleben. Daneben leitete ich einige Jahre den Ortsverband der Kriegsgräberfürsorge in Bad Zwischenahn.
Schicksalsschläge in der Familie – u.a. starb unsere Mutter am 5.März 2005, am lO.Juli 2010 starb meine Ehefrau kurz vor der Goldenen Hochzeit, haben auch in meiner Lebensgestaltung Spuren hinterlassen. Die Schicksalsschläge führten teilweise zu schweren Depressionen, die ich jedoch durch stationäre Behandlung in der Karl Jaspersklinik Wehnen entscheidend überwinden konnte. So entschloß ich mich schließlich, 2013 mein Haus in Bad Zwischenahn zu verkaufen und ein kleineres in Westerstede zu erwerben. Dieser Entschluß ist mir verständlicherweise nicht leicht gefallen. Mein Lebensgrundsatz lautet: Nicht scheinen sondern sein! So freue ich mich, den 23. Psalm im Herzen und neuen netten Bekannten hier in Westerstede meinen Lebensabend zu verbringen. Unvergessen bleibt mir u.a. das Bild, wo mein Vater als Divisionspfarrer mit meiner Mutter meinem Bruder und ich 1944 auf dem Westersteder Bahnhof standen und auf den Zug nach Sande warteten.
Schortens ist und bleibt ewig meine eigentliche Heimat. Hier habe ich die unvergessenen Jugendjahre mit meinem Bruder Jürgen verlebt, er spielte zu gerne mit Onkel Helmut Gerdes Hund Prinzi. Das und vieles mehr lebt immer wieder auf in meinen so vielen Gedanken an meinen ewigen inneren Ankerplatz Schortens. Deshalb kann ich es nicht hoch genug schätzen, daß Sie, lieber Herr Peters und Sie lieber Herr Rabe diesen schönen Ortsverein Schortens mit so viel heimatlichem Leben am Leben erhalten. Ich kam nach einigen Depressionen zur Erkenntnis, dass jeder Mensch etwas in sich hat, was einem Freude bereitet und ein gesundes Selbstwertgefühl schenkt. Die schönste Belohnung ist es, wenn man sich über das selbst Erreichte freuen kann. Wie ein besonderes Geschenk ist es, wenn liebe Mitmenschen zu einem kommen und jeder auf seine Art zeigt, wie das eigene Verhalten/Lebensstil auf so fruchtbaren Boden gefallen ist. Da denke ich sehr dankbar an Sie alle! Von meiner Mutter stammt der schöne Satz: „Genieße, was dir Gott beschieden, entbehre gern, was du nicht hast, ein jeder Stand hat seinen Frieden, ein jeder Stand hat seine Last.“ (CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT). Ich suche innerlich manches Mal einen Ankerplatz, wo finde ich den? Ganz entschieden in Schortens. Hier habe ich u.a.vieles mitbekommen, was mir jetzt immer mehr innerlich einen festen Halt gibt in meinem Alleinsein. Ein weiterer Grundsatz meiner Mutter, der ihr in allen Zeiten so unendlich geholfen hat und sie nie resignieren ließ lautete: „Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur.“ Hierbei denke ich automatisch an die urgemütlichen lahre mit unseren Familien Folkers, Bruns und vielen anderen unter euch, die diese einmaligen Jahre mit erlebt haben und jetzt Ihnen allen.